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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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zuerst das Unangenehme hinter sich zu bringen. Er
stieg die Treppe weiter hinauf zum Büro seines Chefs.
    Die Tür zum Vorzimmer und Holtgreves Bürotür
standen offen. Der Leitende hatte ihn schon gewittert. Bevor Jung sich anmelden
konnte, rief er ihn herein. Holtgreve wirkte wie ein aufgeregter Hund. Er saß hinter
seinem leer gefegten Schreibtisch, die Unterarme auf die Platte gelegt. Unruhig
drehte er einen Bleistift in seinen Händen. Er fixierte Jung beschwörend aus aufgerissenen
Augen.
    »Sie sind raus aus der Sache«, stürzte er sich
auf Jung. »Nehmen Sie Platz«, bellte er.
    »Guten Tag. Aus welcher …«
    »Kiel hat übernommen und macht weiter.« Holtgreve
ließ Jung nicht zu Wort kommen.
    »Was macht Kiel weiter?« Jung bemühte sich,
ruhig zu bleiben.
    »Ich habe heute Morgen die Akten und Berichte
an Kiel überstellt.«
    »Was haben Sie?«, fragte Jung alarmiert.
    »Die Akten hat Kiel«, antwortete Holtgreve
brutal.
    »Sie sind ohne mein Wissen in mein Arbeitszimmer
eingedrungen und haben …«
    »Sie sind krankgemeldet«, schnitt der Leitende
ihm das Wort ab. »Und Ihr Büro ist doch kein Nähkästchen, in dem Sie Liebesbriefe
aufbewahren, oder?«
    Holtgreves Ungeheuerlichkeiten trafen Jung
mit aller Wucht und trieben sein Ich aus dem Körper, bis es oben unter der Zimmerdecke
hing. Von dort beobachtete es Holtgreve, der auf seinem Sessel hockte und Jung anglotzte.
Er spielte nervös mit einem kurzen blauen Faber-Castell-Bleistift mit dem Härtegrad
H, dessen oberes Ende von Bissspuren verunziert war.
    »Contra vim pauperes spiritu non est medicamen
in hortis [14] «, hörte Jung sich murmeln.
    »Reden Sie Klartext, Mann«, schnaubte Holtgreve.
    »Ich werde ein paar Tage Urlaub machen«, sagte
Jung jetzt klar und deutlich.
    »Gute Idee. Sie haben Grippe.«
    »In ein paar Minuten haben Sie mein Urlaubsgesuch
auf dem Schreibtisch.«
    »Vernünftig von Ihnen. In dreifacher Ausfertigung,
bitte.«
    »Wie immer.«
    Eine nüchterne Unfreundlichkeit herrschte in
dem Raum. Jung sah sich aufstehen und das Büro verlassen. Erst in seinem eigenen
Büro schlüpfte sein Ich wieder in seinen Körper. Er öffnete das Fenster und ließ
frische Luft herein. Draußen war es weder sommerlich warm noch unangenehm kühl.
Keine Sonne strahlte vom blauen Himmel. Aber die am Himmel segelnden Wolken ließen
auch keinen Gedanken an Regen aufkommen. Es war das ideale Wetter, um spazieren
zu gehen.
    Jung verwarf den Gedanken. Er fühlte sich schwach
und hätte sich lieber wieder hingelegt. Dann überdachte er seine Situation. Holtgreves
Eingreifen war wirklich ungeheuerlich. Aber es ließ ihn ungewohnt kalt, wie er verwundert
feststellte. Seine Neugier an dem Fall war ungebrochen. Er beschloss, einfach weiterzumachen
und sich von Holtgreves Machenschaften nicht ablenken zu lassen. Informationen hatte
er genug. Wenn nötig, konnte er auch an Duplikate der Berichte von Gerichtsmedizin
und Spurensicherung kommen. Die Frage, ob er das durfte, beschäftigte ihn nicht
weiter.
    Der Farbige musste befragt werden. Er war legal
nach Dschibuti ausgereist. Dschibuti, davon hatte er kürzlich gehört. Es musste
schon Monate her sein, dass er einen Bericht im Fernsehen verfolgt hatte, in dem
über das Engagement Deutschlands am Horn von Afrika berichtet wurde. Die Bundesmarine
beteiligte sich dort am Kampf gegen den Terrorismus mit Schiffen, die den Seeverkehr
im Arabischen Meer und vor der afrikanischen Küste überwachten. Die Marine unterhielt
zu diesem Zweck eine logistische Basis in Dschibuti. Dort müsste er an Informationen
kommen können, die ihm vielleicht weiterhalfen.
    Er wandte sich mit seinem Anliegen an das Marineflottenkommando
in Glücksburg-Meierwik, einige Kilometer weit weg von Flensburg. Er wurde mit dem
Duty-Officer verbunden. Er bat ihn unter Berufung auf Amtshilfe um eine Kontaktadresse
in Dschibuti. Der Duty-Officer verwies ihn an den Kommandeur der Basis und überließ
Jung dessen Adresse und Telefonnummer.
    Jung füllte einen Urlaubsantrag aus, gab ihn
in dreifacher Ausfertigung in die Registratur und wählte die Rufnummer des Kommandeurs
in Dschibuti.
    »Fregattenkapitän Jungmann, guten Tag.«
    Die Verbindung nach Afrika unterschied sich
in nichts von der nach Hamburg.
    »Jung, Polizei-Inspektion Flensburg, guten
Tag.«
    »Sie wurden mir schon avisiert. Ich habe Ihren
Anruf erwartet. Was kann ich für Sie tun?«
    Jung staunte über die Schnelligkeit des Informationsflusses
von Glücksburg nach Dschibuti.
    »Ich

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