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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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gerissen, die Ohren dieses gewalttätigen Kerls erreichte. Und zuhause sein Vater hatte gemacht, wozu er fähig gewesen war: geschrien, getobt, geflucht, von Schande geredet und gegeifert, ›es‹ schon immer gewusst zu haben. Dieses ›es‹ war wichtig für die Menschen, die sonst nicht viel wussten. Das ›es‹ kannten sie besser als alle anderen. Wenzel hatte die Szene damals bei allem Schock und Bitterkeit über das Geschehene auch genießen können, denn sein Alter hatte sein Spektakel in sicherer Entfernung zum Sohn vollzogen. Das Geschrei war ihm gleich gewesen. Seine Mutter – die hatte ihm leidgetan. Ihr hätte er es gerne erspart. Dieses Gefühl konnte er am deutlichsten nacherleben.
    Er sah hinunter in den Hafen, direkt hinüber auf Löwe und Leuchtturm. Ein Ausflugsschiff wendete im Hafen und glitt bedacht durch die Hafeneinfahrt hinaus.
    Seine Gedanken führten wieder zurück in die Vergangenheit. Das Verrückte an der Sache war ja, dass er diesen Zychner insgeheim bewundert hatte – gerade wegen seiner Schrulligkeit, seiner bitteren Strenge und Akkuratesse, wegen des Scheiterns in seiner Vergangenheit, von dem man munkelte. Er war kein Langweiler und hinter dem angstvollen Respekt war Raum für verschwiegene Achtung. Hatte Zychner selbst das nie gemerkt?
    Wenzel verspürte nur geringe Lust zurück zur Dienststelle zu gehen. Sollte er hinübergehen zum Bootsschuppen? Nein, was sollte er dort. Das Boot lief nicht davon und schwang gut gesichert im trägen Takt der Wellen. Im Hotel musste noch ermittelt werden. Es gab noch einige Angestellte, die noch nicht befragt worden waren, weil deren verrückter Dienstplan es nicht zugelassen hatte. Und ein wenig Herumfragen hatte auch noch nie geschadet. Er zahlte, wollte die paar Meter durch den Hafen gehen und sein Glück versuchen.

    Die Sous-Chefin des Hotels schickte ihn hinüber in die Ludwigstraße. Vor der Einfahrt zur Tiefgarage stand eine Gruppe Angestellter und rauchte. Er stellte sich kurz vor. Auf den Fall selbst brauchte er nicht einzugehen – er war in den letzten zwei Tagen ausführlich diskutiert worden. Halblaut, hinter vorgehaltener Hand, dezent, wie es die Umgebung erforderte, und doch von Neugierde und Entsetzenslust beseelt, wie an allen anderen Orten.
    Ein Zimmermädchen mit herrlich ungarischem Akzent sah ihn mit großen dunklen Augen an und druckste etwas herum. Er verstand, dass sie im Beisein der anderen nicht reden wollte und wartete. Bald waren die letzten Züge getan und die Runde löste sich auf, der Service im Hotel wartete. Im Weggehen sah er auffordernd zu der hübschen Ungarin. »Und?«
    »Diese eine Frau, mit dem Namen, wo sie gesagt haben … eine von den Psycho …«
    »Ja?«
    »Ich mache den Zimmer.«
    »Mhm, ich weiß. Und was war da … mit dem Zimmer?«
    »Als ich am Samstag in Zimmer gekommen bin, war nichts zu tun.«
    Er legte etwas den Kopf fragend zur Seite, was es erübrigte eine Frage auszusprechen.
    »Es war niemand im Zimmer gewest, meine ich.«
    »Meinen Sie das nur, dass in der Nacht niemand in dem Zimmer geschlafen hat, oder wissen Sie es?«
    »Im Bett hat niemand geschlafen, das Bett und alles andere war so, wie ich es am Freitag gemacht hatte.«
    »Sind Sie da sicher. Es könnte nicht gewesen sein, dass der Hotelgast das selbst gemacht hat?«
    »Unmeglich. Ich mache immer kleine Extra mit Bettenfaltung. Ist schön zu gucken und kann kein Kollegin und Hotelgast schon gar nicht. Man muss alles machen krumm, damit es ausschaut wie gerade.«
    »Soso, kleine Extra, krumm gemacht wird gerade. Fast wie im richtigen Leben«, knurrte Wenzel, notierte die Zimmernummer, um alles genau festzuhalten, und nahm dann noch die Personalien der Zeugin auf.
    Sie ließ ihn über den hinteren Zugang mit ins Hotel. Er streifte ein wenig durch die Gänge und landete in der Bar. Ein trauriger Ort, mitten am Tag, und um vieles trauriger, diejenigen, die es nötig hatten hier zu dieser Stunde zu verweilen.
    Hinter der Bar klapperte eine gepflegte Erscheinung mit Gläsern und Geschirr. Wenzel hockte sich auf einen der hohen Hocker und wartete auf einen geeigneten Augenblick den Herrn anzusprechen. Dessen arbeitsame Nichtbeachtung legte nahe, dass Wenzel als nicht dem Hotel zugehörig identifiziert war. Dem spröden Anfang nach entwickelte sich doch zunehmend ein Gespräch, das zutage brachte, dass Wenzel schnell als Polizist erkannt worden war. Das machte die Sache einfacher. Er stellte die Fragen, wie sie von seinem

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