Inselwaechter
Hundes zu erfüllen haben. Sie werden feststellen, bald wird die Leine locker bleiben und Hundle wird Blickkontakt mit Ihnen aufnehmen: Wohin will er denn, mein Herrchen? Dann loben Sie ihn. Nicht überschwänglich, aber – loben.«
Erich Gommert kehrte um. Prompt zog Hundle wieder in die Leine. Er ging einige Schritte und kehrte wieder um.
»Des ist aber schon ein wenig deppert, oder?«, meinte er, »was sollen denn die Leute denken, wenn die des sehen?«
»Es geht entschieden nicht darum, was die Leute denken. Die Frage wundert mich überhaupt. Sie sind doch Polizist, wie Sie sagten. Da muss einem doch von Berufs wegen schon gleich sein, was die Leute denken, oder täusche ich mich da? Wenn Sie so wollen, befinden wir uns im Moment eben noch am Idiotenhügel der Hundeausbildung.« Sie sagte es, ohne dass Erich Gommert sich beleidigt fühlen musste. Ein weiteres Treffen in der relativen Einsamkeit um Andelsbuch wurde vereinbart.
Endlich wieder am Auto angekommen, war er völlig erschöpft. Er lockte Hundle, der Hilde freudig wedelnd nachsah, ins Auto und ging die paar Meter vor zur Kirche. Nicht, um für die weiteren Termine um göttlichen Beistand zu bitten, sondern um gegenüber im Käsehaus einen milden und einen würzigen Käse mitzunehmen.
*
Wenzel war nach der Showeinlage auf der Mole umgehend zur Dienststelle gefahren und froh gewesen, dort auf Lydia zu treffen. Die später folgende Besprechung war bündig und jeder schnell wieder bei der Arbeit. Wenzels erster Auftrag brachte ihn auf die Insel zurück, wo er im Bayerischen Hof Claire Wilms suchte. Viele Gäste frühstückten noch, darunter auch sie. Es wunderte ihn, sie alleine am Tisch vorzufinden, denn er hätte zumindest Melanie Schirr bei ihr erwartet, und diesen Grohm eigentlich auch. Unaufgefordert setzte er sich für einen Moment an ihren Tisch. Er wollte kein Aufsehen erregen und teilte ihr mit, sich gleich nach dem Frühstück auf der Dienststelle einzufinden. Es gäbe wichtige Fragen zu erörtern. Auf ihre Frage, ob man mit den Ermittlungen schon weitergekommen sei, blieb er stumm.
Er war gar nicht in dem Maße aufgeregt, wie er es erwartet hatte, als er kurz darauf an Zychners Wohnung klingelte. Nach der knappen, förmlichen Begrüßung nahmen beide die Sitzposition des Vortages ein. Zychner im Sessel an der Wand, Wenzel auf dem Stuhl am Tisch.
»Schön, dass Sie selbst gekommen sind. Ich hatte gedacht, dass vielleicht jemand anders weitermachen würde.«
Diese Möglichkeit war Wenzel überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass es für ihn gar nicht anders möglich, gar nicht anders denkbar gewesen wäre, als selbst zu kommen. Er hätte es als feige, als Flucht empfunden, sich diesem Zychner nicht zu stellen.
»Was haben Sie heute Morgen drunten im Segelhafen gesehen?«, fragte Wenzel streng.
»Ich habe gestern eine alte Aufnahme gehört. Es gibt da von Gilels die lyrischen Stücke von Grieg. Gerade recht gewesen an so einem Sommerabend …«
Wenzel war nicht in lyrischer Stimmung. »Wir sind gerade auch mit einer Art lyrischem Stück befasst … also, heute Morgen im Segelhafen, was haben Sie da gesehen?«
»Jaja«, sprach Zychner begütigend, »ich erzähle es Ihnen schon noch … aber, diese Aufnahme. Sie kam in jener Zeit damals heraus«, er wies mit der Hand nach hinten, »wenn ich an das Regal gehe und eine dieser alten Platten herausnehme und auflege, ist es so, als reiste ich damit auch in die Vergangenheit. Ich wusste, dass es mein Versagen war. Mit Ihrem Vater habe ich darüber gesprochen, doch mit Ihnen, einem Schüler, das war nicht möglich. Es war nicht möglich auf gleicher Augenhöhe über die Angelegenheit zu reden.
Ich empfand es als Verlust, denn Sie waren ja sehr an Musik interessiert – und dann das.«
Wenzel legte seine Handflächen auf die Oberschenkel und ließ die Hüfte nach hinten rutschen. Das entspannte, war aber nicht gut für die Lendenwirbel. Egal, man musste immer abwägen im Leben. Zychner hatte damals also mit seinem Alten gesprochen. Schade – da wär er gerne dabei gewesen. Und seither hatte er sich von Klassik ferngehalten. Lange Zeit hatte er immer Zychner vor sich gesehen, wenn er klassische Musik hörte. Chopin ging gar nicht.
»Ich hoffe, Sie haben die Freude an der Musik nicht verloren«, sagte Zychner, als könne er Gedanken lesen, und erschreckte Wenzel damit.
»Ich habe die Freude an der Klassik nicht verloren«, antwortete Wenzel.
Zychner bewegte sich
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