Inselwaechter
sich zu sehr aufgeregt?
Lydia Naber sah zu Schielin, der keine Frage stellte oder Anstalten machte einzugreifen. Etwas mehr Unterstützung hätte sie sich von ihm und Wenzel schon erwartet. Einen letzten Versuch wollte sie dennoch wagen. »Als wir Sie vor einigen Tagen anhörten, deuteten Sie ein Verhältnis zwischen Ihnen und Frau Mahler an. Das war entweder eine sehr geheime Angelegenheit oder diese Beziehung hat es nie gegeben. Ich halte letztere Variante für die realistischere. Bei Frau Mahler hatten Sie doch keine Chancen und in Ihrem Freundeskreis will niemand davon wissen noch an eine solche Beziehung glauben.«
Grohm unterließ es, auf ihre Frage überhaupt einzugehen. Er sah störrisch auf die Tischplatte.
Sie entschied sich schweren Herzens dazu, ihn gehen zu lassen. Sie hatten wirklich keinen einzigen Beweis, der geeignet war ihn in die Enge zu treiben. Wenzel begleitete ihn hinaus.
Lydia Naber atmete einige Male tief durch, dann ließ sie den Kopf stöhnend in die Hände sinken. Schielin schwieg.
»Du lieber Gott. Dieser elende Kotzbrocken, dieser miese Psychokeks – nicht annähernd zu packen. Ich könnte verrückt werden. Dabei hatte ich schon gedacht, die Sache mit dem Doktortitel würde ihn platt machen. So ein Mist!«
»Es waren die falschen Fragen«, konstatierte Schielin nüchtern.
Sie fuhr auf und giftete ihn an. »Ach! Ich habe also die falschen Fragen gestellt. Habe ich was an den Ohren gehabt, oder was? Wo waren denn deine Fragen, mein Lieber, wo waren die fantastischen Fragen der Herren Ermittler, he!?«
Schielin blieb gelassen. »Ich hätte die gleichen gestellt, wie du auch – die falschen Fragen. Wir haben nur im Moment keine anderen. Dennoch bin ich gar nicht so unzufrieden.«
»Soso – nicht unzufrieden! Und wieso musste ich die stellen und die Herren der Schöpfung halten sich fein raus, hocken hier rum und machen auf stilles Mäuschen, he!?«
»Weil Grohm Angst vor dir hat. Vor uns nicht. Er hat Angst vor dir, weil du ihm so gar keine Ehrfurcht entgegenbringst. Das ist schön anzusehen.«
»Ach …«
»Ja, ach. Denke doch mal, wie er sich in den paar Tagen verändert hat. Sein erster Auftritt – der große Zampano, der alles im Griff hat, der die Zügel in der Hand hält … so tut, als müsse er uns ertragen, wie schlechtes Wetter. Da sucht er zunächst zu verhindern, dass wir mit dieser Schirr vernünftig reden können, und jetzt – liefert er sie eiskalt ans Messer. Das macht er doch nur, weil er unter Druck ist, weil er mit dem Rücken zur Wand steht und sich Luft verschaffen will. Wir wissen nur noch nicht, wo sein wunder Punkt ist, aber ich bin davon überzeugt, dass es diese verwundbare Stelle gibt.«
Schielin tätschelte Lydia tröstend die Schulter und ging zum Telefon. Robert Funk und Gommi sollten Melanie Schirr auftreiben und deren Hotelzimmer durchsuchen.
Dohmen saß in der Zelle und wartete. Ein Gespräch mit seinem Anwalt hatte bereits stattgefunden.
*
Schielin schnappte sich sein Fahrrad und radelte in Richtung der Aeschacher Kreisverkehre. Er kam schnell an der wartenden Autoschlange vorbei, die beide Zufahrten zum Edeka blockierte. Ein Stück weiter, bei der Metzgerei Schmieger, wurde er bei dem Gedanken an eine Leberkässemmel fast schwach. Doch er trat ein paar Mal kräftiger in die Pedale, bevor es steil hinabging zum Hasenweidweg und über den gefährlich holprigen Bahnsteig, der ein richtiger Felgenkiller war. Unten angekommen, folgte er dem Aeschacher Ufer bis kurz vor die Schranke am Bahndamm. Hier hatte Grohm seinen Morgenspaziergang durch einen kleinen Streit mit dem Schrankenwärter bereichert. Manchmal war es auch wirklich zum Verrücktwerden hier zu stehen und zu warten. Schielin hatte zwar ein anderes Ziel – den Kanuclub –, dennoch fuhr er die paar Meter bis zu den Gleisen. Links lag der Bahndamm und geradewegs ging es am Ufer entlang zur Giebelbachstraße. Von dort leuchteten die roten und weißen Blüten eines Rosenbusches, der in weitem Halbbogen über die Zufahrt zu einem der Schrebergärten geführt war, die den Bereich jenseits der Uferlinie füllten.
Schielin wendete und betrat das Gelände des Kanuclubs. Der innere Grundstücksraum war durch das lange Bootshaus vor neugierigen Blicken geschützt. Gleich auf der linken Seite standen zwei Zelte. Drumherum lagen Kajaks im Gras, Paddel und Bootsträger. Die zwei Pärchen, die vor dem Zelt frühstückten, sprachen einen fremden, froh singenden Dialekt: Kölner waren es. Die
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