Inselwaechter
behilflich sein?«
»Ich bezweifle, dass es Ihnen gelingen wird Ihre Promotionsurkunde irgendwo aufzutreiben. Die existiert nicht. Genauso wenig wie ein Verhältnis zwischen Ihnen und Frau Mahler bestanden hat, wie Sie es angedeutet hatten. Aus welchem Grund all die Lügen? Aus welchem Grund.«
Sie ließ sich ihre Enttäuschung über Grohms Reaktion nicht anmerken. Erst sank Grohms Oberkörper kaum merklich zusammen, um sich sofort wieder zu straffen. Immer behielt er dabei den Kopf gerade und fixierte Lydia Naber, als wolle er sie hypnotisieren. Sie hatte er als Gegnerin erkannt. Ein knappes, verächtliches Schnauben war alles, was er ihr zu entgegnen hatte.
Sie wartete. Schielin und Wenzel schwiegen. Lydia hatte die Initiative ergriffen.
»Mit Ihrem Schweigen werden Sie nicht weiterkommen. Sie waren zur infrage kommenden Tatzeit in der Nähe des Tatortes und – Sie hatten ein Motiv. Das Opfer wusste von Ihrem Betrug mit dem Doktortitel. Wann hat sie es Ihnen gesagt?«
Grohm tappte tatsächlich in die kleine Falle. »Wir wollten uns an diesem Wochenende darüber unterhalten.«
»Unterhalten«, wiederholte Lydia, »vielleicht im Segelhafen?«
Er reagierte gar nicht ungehalten. Es war, als überlegte er.
»Mit Schweigen werden Sie nicht weiterkommen.«
»Wenn ich schweigen wollte, wäre ich gar nicht hierhergekommen, sondern hätte meinen Anwalt geschickt. Das sollte Ihnen klar sein.«
Lydia schluckte ihren Zorn über seine unerschütterliche Arroganz hinunter. »Erzählen Sie ganz einfach. Und bleiben Sie bei der Wahrheit.«
Grohm sah weg. Als käme mit ihren Worten ein übler Geruch über den Tisch. »Ich bin damals in die Schweiz gegangen, hatte meine Doktorarbeit schon begonnen. Sebald war mit anderen Freunden in Konstanz geblieben. Ich habe mich in der Schweiz aber mehr mit naturwissenschaftlichen Studien befasst. Sebald und ich hatten vor, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Nach knapp zwei Jahren habe ich ein Erbe erhalten, Sebald kam sowieso aus einer wohlhabenden Familie. Er hat das Ganze in die Hände genommen und die Kanzlei in München eingerichtet. Als ich aus der Schweiz zurückkam, hing ein großes Messingschild vor dem Büro. Dr. Grohm & Dr. Sebald. Es war wie selbstverständlich. Wir hatten gar nicht darüber geredet. Anfangs hatte ich noch vor die Promotion abzuschließen. Doch dann … wie es eben so geht. Arbeit, viel Arbeit, Familie, Kinder – und niemand hat nach diesem blöden Ding gefragt, da ich ja keine universitäre Karriere anstrebte, und unsere Kunden … die interessiert das schon gar nicht. Ich halte das für keine große Sache; ein Kavaliersdelikt, mehr nicht. Niemals ein Grund einen Mord zu begehen, wie Sie das so gerne konstruieren möchten.«
»Hat Sebald das irgendwann erfahren?«
»Nein. Nie.«
»Agnes Mahler. Wie kam sie darauf?«
Grohm legte beide Arme auf den Tisch und beugte sich weit über den Tisch, um Lydia Naber so nahe wie möglich zu kommen. Er sprach leise und eindringlich. »Sie halten Agnes Mahler für eine Heilige – weil sie ein Opfer ist. Vielleicht müssen Sie so reagieren. Aber sie war eine sehr kühle, berechnende, ehrgeizige Frau.«
»Intelligent war sie sicher auch noch und hatte damit vielen kühlen, berechnenden, ehrgeizigen Männern schon etwas voraus. Von ihrem legal erworbenen Doktortitel wollen wir gar nicht erst reden.«
Grohm schluckte und zog sich angewidert zurück, sprach aber weiter. »Sebald hatte schon einmal den Plan gehabt, aus unserer Kanzlei ein Institut zu machen. Sie, also Agnes Mahler, hat das wieder aufgegriffen und war wie besessen von der Idee. Die Geschäfte, müssen Sie wissen, die Geschäfte liefen nicht mehr so gut in den letzten Jahren und es musste etwas geschehen«, er lachte bitter, »und um ein Institut zu gründen, braucht man einen Professor. Sie hat mich richtiggehend drangsaliert und konnte es überhaupt nicht verstehen, dass ich nicht die geringste Lust dazu verspürte. Ich weiß, was Sie denken, aber es lag nicht allein an dem fehlenden Doktortitel. Ich wollte wirklich nicht. Jedenfalls hat sie von dieser Sache nicht gelassen und diese Neue angeschleppt …«
»… welche Neue?«
»Claire Wilms. Sie hat sie auf einer sogenannten Networking-Party kennengelernt. Soweit ich das mitbekommen habe, ist Frau Wilms das Betthäschen irgendeines Politikers. Und unsere liebe Agnes hat, eloquent wie sie war, sofort kombiniert: Um ein Institut zu gründen, bedarf es neben ordentlichen Professorentiteln –
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