Blind-Date um Mitternacht
1. KAPITEL
D en Saum ihres Minirocks zurechtzupfend, ging Josie Jackson noch tiefer in die verrauchte Bar hinein. Das andere Ende des Raums war wegen der spärlichen Beleuchtung fast nicht zu sehen. Aber dann entdeckte sie schließlich doch den Mann, der mit dem Rücken zu ihr am Ende des langen Tresens saß, so wie es ausgemacht gewesen war.
Nur keine falsche Bescheidenheit, ermunterte sie sich, um sich auf die Rolle einzustimmen, die sie jetzt zu spielen hatte. Gib dich selbstbewusst und sexy. Sie würde den armen Kerl zu Tode erschrecken, so dass er gar nicht schnell genug von hier verschwinden konnte.
Josie hatte diesen beliebten Single-Treffpunkt in der Hoffnung ausgewählt, dass die Angelegenheit mit diesem Vorschlag schon erledigt sein würde. Doch erstaunlicherweise hatte er ihm widerspruchslos zugestimmt. Zumindest war es das, was ihre Schwester sagte. Aber sie hatte ja auch behauptet, er sei genau der Richtige für sie, was für Josie buchstäblich schon so etwas wie eine Garantie dafür war, dass sie ihn nicht mögen würde. Verantwortungsbewusst sei er, hatte Susan behauptet. Reif. Und durch und durch solide.
Josie war der Verabredungen, die ihre Schwester für sie traf, allmählich überdrüssig, aber noch mehr grauste ihr vor den Männern, von denen ihre Schwester glaubte, sie wären die richtigen für sie: bieder, spießig und viel zu sehr um ihren guten Ruf besorgt. Männer, die weder eine Romanze suchten noch ein Abenteuer. Das Einzige, was sie wollten, war, eine Partnerin mit ähnlichen Vorstellungen zu finden, um zu heiraten und ihr langweiliges, ödes Leben fortzusetzen.
Josie war jetzt fünfundzwanzig und hatte viele Jahre hart gearbeitet, um ihre Lebensziele zu verwirklichen. Und die hatte sie erreicht, so dass es nun Zeit für andere Dinge wurde. Sie verdiente es wirklich, ein bisschen Spaß zu haben. Bob Morrison mochte sich ein nettes kleines Haus in einer netten Nachbarschaft und eine Familie wünschen, aber Josie hatte andere Pläne, und falls der Ort für dieses Treffen ihn nicht schon abgeschreckt hatte, würde es ein Blick auf sie ganz sicher tun.
Mit herausforderndem Hüftschwung ging sie auf ihn zu. Jemand hinter ihr pfiff anerkennend, und sie wurde rot. Das Nächste, was sie spürte – eine große Hand, die ihren Po berührte – hätte sie beinahe dazu veranlasst, auf der Stelle wieder umzukehren. Stattdessen jedoch schaffte sie es, dem Übeltäter einen ärgerlichen Blick zuzuwerfen und auf ihren hohen Absätzen nicht zu stolpern. Was keine geringe Leistung war angesichts der Tatsache, dass sie normalerweise flache Schuhe trug. Du schaffst es schon, ermahnte sie sich, du brauchst nur …
Und da drehte sich der Mann am Tresen langsam zu ihr um.
Sie vergaß zu atmen und starrte ihn aus großen Augen an. Nicht zu fassen, dachte sie. Dieser Typ sah überhaupt nicht spießig aus in seiner engen Jeans und dem schwarzen Polohemd. Das konnte unmöglich der viel gepriesene Bob sein. Dafür war er viel zu männlich, attraktiv und sexy. Das Schicksal konnte doch nicht so grausam sein, ihr einen Spießer herzuschicken, der so unglaublich gut aussah. Oder doch?
Sie zwang sich, einen weiteren Schritt nach vorn zu tun, was gar nicht so einfach war mit ihrem engen Minirock, den aberwitzig hohen Absätzen und ihren Hemmungen. “Bob Morrison?”
Seine Augen waren fast so schwarz wie das glatte Haar, das ihm auf einer Seite über die Augenbraue fiel. Sie sah, wie sein Blick langsam über ihre langen Beine glitt und an ihrer Taille einen Moment verweilte, bevor er schließlich ihr Gesicht erreichte. Und dann atmete der Mann tief durch, offenbar ebenso verblüfft wie sie. Sie schwieg und wartete, ob er etwas tun oder etwas sagen würde, was bewies, dass sie sich nicht geirrt hatte und er nicht das war, was sie suchte, sondern nur ein weiterer typischer Kandidat von Susan, der ihr Leben in noch geordnetere Bahnen lenken sollte.
Aber dann erhob er sich, richtete sich zu seiner vollen Größe von mindestens einsfünfundachtzig auf und lächelte. Dieses Lächeln ist die absolute Gefahr für sämtliche Frauen, schoss es ihr durch den Kopf. Der Mann strahlte Charme und Wärme aus, und es war überhaupt nichts Biederes oder Spießiges an ihm. Ganz im Gegenteil.
Er reichte ihr seine Hand – eine große Hand, in der ihre eigene fast verschwand – und sagte mit tiefer, ein wenig heiserer Stimme: “Ich bin Bob. Freut mich, Sie kennen zu lernen, Josie.”
Normalerweise war er kein Lügner.
Nick
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