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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Lauben und notfalls die Kapelle, aus der noch nie ein Obdachloser vertrieben worden war. Schlagartig wurde ihr klar, dass Obdachlosigkeit nicht überall gleich schrecklich war. In der Kälte einer Nordseeinsel bedeutete es etwas ganz anderes, seine Wohnung zu verlieren, als in Süditalien, wo die Temperaturen sich auch im Winter selten dem Gefrierpunkt näherten. Über die soziale Kälte, die sich anscheinend parallel zu den Wetterverhältnissen entwickelte, wollte sie gar nicht nachdenken.
    Â»Gibt es auf Sylt kein Haus für … für …« Ihr fiel keine Bezeichnung ein, die einerseits auf diesen armen Kerl zutraf, ihn aber andererseits nicht verletzte.
    Â»Penner?« Er schien weitaus weniger Probleme mit der Beschreibung seines Lebens zu haben. »Nö, da lasse ich mich nur blicken, wenn’s gar nicht anders geht.«
    Mamma Carlotta wurde nervös, weil ihr der eigentliche Grund ihrer Anwesenheit wieder einfiel. »Haben Sie genug zu essen? Soll ich Ihnen was bringen? Ich habe Antipasti eingelegt. Mögen Sie so was? Frische Panini gebe ich Ihnen natürlich dazu.«
    Der Obdachlose rappelte sich hoch. Anscheinend hatte er lange nicht mehr ein solches Angebot bekommen. »Das würden Sie für mich tun?« Überwältigt streckte er Mamma Carlotta die Hand hin, die sich zwar über seine Dankbarkeit freute, die Hand aber trotzdem nicht gern ergriff. »Ich heiße Busso. Busso Heinemann! Also, es wäre … wäre mir eine Ehre … wie soll ich sagen? Einfach toll wäre das.«
    Mamma Carlotta wischte sich unauffällig die rechte Hand an der Jacke ab. »Gut! Dann bringe ich Ihnen bei nächster Gelegenheit etwas vorbei.«
    Â»Sie werden mich auf jeden Fall hier finden! Ich bleibe sitzen, bis die merken, dass die auch mal einen wie mich als Komparsen gebrauchen können. Hundert Euro am Tag! Das muss man sich mal vorstellen! Ich muss in Ruhe nachrechnen, wie viele Flaschen Köm man davon kaufen kann.«
    Mamma Carlotta sah ihn streng an. »Sie sollten sich lieber was Anständiges besorgen. Obst, Gemüse, frisches Brot.«
    Busso merkte, dass er einen Fehler gemacht hatte, der ihn die Zuneigung dieser freundlichen Dame kosten konnte. »Klar! Vitamine sind ja sehr wichtig.«
    Mamma Carlotta sah an ihm herab. »Und eine neue Hose könnten Sie auch gebrauchen.« Sie dachte kurz nach. »Schade! Mein Schwiegersohn hat eine andere Figur. Sonst würde ich nachsehen, ob es eine Hose gibt, die er nicht mehr trägt.«
    Busso war begeistert und versuchte ihr erneut die Hand zu schütteln, doch Mamma Carlotta machte einen Schritt zurück. »Vielleicht klappt’s ja noch mit einer Komparsenrolle.«
    Â»Ich bleibe jedenfalls hier, bis die Dreharbeiten vorbei sind«, sagte Busso und ließ sich wieder auf der Erde nieder. »Die Schauspieler sind spendabel. Die bringen mir oft was zu essen. Und der private Wachdienst lässt mich in Ruhe. Die wissen, dass ich nichts klaue. Mir geht’s hier gut.«
    Â»Das freut mich.« Mamma Carlotta verabschiedete sich, weil sie gesehen hatte, dass die Casting-Chefin sich erhob, als hätte sie etwas Wichtiges zu vermelden. »Bis später!«
    Unzufrieden betrachtete die Casting-Chefin die vielen Jugendlichen, die sie hoffnungsvoll anblickten. Die ersten zwanzig hatte sie zum Eingang der Halle gewinkt, wo sie von einer dicken Frau in Empfang genommen wurden. Das waren anscheinend die Beneidenswerten, die das Casting bestanden hatten. Es sah nicht so aus, als könnten die sechzig bis siebzig, die noch warteten, auch eine Chance bekommen.
    Â»Hat in der Zeitung etwa gestanden, dass ich hundert Schüler brauche?«, fragte die Casting-Chefin ungehalten. »Warum habt ihr nicht eure Eltern geschickt? Mehr als zwanzig junge Leute brauche ich wirklich nicht.«
    Die Enttäuschung war den Jugendlichen sogar von hinten anzusehen. Einige drehten sich schon um und machten Anstalten zu gehen. Felix und Carolin rührten sich zwar nicht vom Fleck, aber Mamma Carlotta war sicher, dass auch sie soeben ihre Hoffnung begruben. Für Felix würde es nicht weiter schlimm sein. Wenn er nicht ausgewählt wurde, hatte er sich nur damit abzufinden, dass er etwas länger auf die total angesagten Turnschuhe sparen musste. Aber für Carolin würde eine Welt zusammenbrechen. Mamma Carlotta blutete schon jetzt das Herz, wenn sie daran dachte, mit welcher

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