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zitiert und Statistiken präsentiert werden. Demnach werden zum Beispiel nur 10 Prozent der Zeitarbeitnehmer von den Kunden übernommen, was insbesondere daran liege, dass frühere Kernaufgaben ausgelagert wurden, um Kosten einzusparen. Zeitarbeiter seien unterbezahlt, sie klagten über mangelnde Anerkennung und fehlende Perspektiven. Kritiker sprechen von Sklavenarbeit, Menschenhandel und legalisierter Ausbeutung.
Gleichwohl darf unterstellt werden, dass die Einsparmaßnahmen zu Lasten der Zeitarbeiter, um Kosten- und Gewinnziele zu erfüllen, manchen insgeheim nicht traurig stimmen dürften, schützen sie doch gleichzeitig die Privilegien der häufig gut organisierten Stammbelegschaft. Dieser wird zugleich ständig vor Augen geführt, wohin der Abstieg führen könnte. Sie fühlt sich überlegen, behandelt die Leiharbeiter oft wie Kollegen zweiter Klasse.
In ihrem «Schwarzbuch Zeitarbeit» zitiert die IG Metall einen Betroffenen: «Leider ist es so, dass man in den Einsatzfirmen für die Kollegen häufig nur die ‹Leihkeule› ist – das ist schade und extrem nervig. Aber wenn es um Überstunden oder Wochenendarbeit geht, sind fast nur die Leiharbeiter da. Die könnten ansonsten ja auch abgemeldet werden, bzw. die hoffen auf eine Übernahme.»
Ein Weiterer sagt: «Als Leiharbeiter wird man im Betrieb echt schlecht behandelt. Ich wollte drei Wochen Urlaub beantragen. Da wurde mir knallhart gesagt, dass ich Leiharbeiter sei und froh sein könne, in der Firma arbeiten zu dürfen, und ich dürfe höchstens drei zusammenhängende Tage Urlaub nehmen.»
Die umfangreiche Sammlung der Gewerkschaft zeigt, dass viele ihr Schicksal veröffentlicht wissen möchten. Und obwohl sie bereits prekär beschäftigt sind, teilen sie die Angst ihrer Stammkollegen vor dem Abstieg: noch weiter, in Hartz IV . Die Reformen des Jahres 2004 haben sicherlich dazu beigetragen, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu verbessern, die Arbeitslosenzahlen abzusenken und mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Doch vielfach zu einem hohen Preis.
Wer heute arbeitslos wird, trifft auf eine Vielzahl von Stellen, die nur noch über Personaldienstleister angeboten werden. Im Grunde weiß jeder, wie die Zustände dort sind. Im Internet gibt es zahlreiche Foren, in denen über schlechte Behandlung, extremen Druck vom Arbeitsamt, unbezahlte Stunden und wenig Geld geklagt wird. Die Abrechnungen seien oft kompliziert und schwer nachvollziehbar.
Selbst innerhalb der Zeitarbeitsbranche gibt es offenbar höherrangige Mitarbeiter, die die Praktiken nur noch schwer mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Der Justiziar eines großen Zeitarbeitskonzerns, der noch aktiv ist, sagt mir im Gespräch zum Beispiel:
«Wir wissen, dass unsere Niederlassungen und Tochterfirmen oft nicht nach den Vorgaben arbeiten. Aber das wird hingenommen, weil wir letztlich die Verantwortung dafür nicht tragen. Sie stehen unter einem hohen Erwartungsdruck, müssen ihre Umsätze und ihre Gewinne optimieren. Dabei nutzen sie oft die Unerfahrenheit und die Blödheit der Leute aus. Sie versprechen erst einmal das Blaue vom Himmel und hoffen, dass die tatsächlich schlechteren Bedingungen später akzeptiert werden. Den Arbeitsvermittlern in der Agentur ist das häufig egal, Hauptsache, die Leute sind raus aus der Statistik und sie erfüllen ihre Vermittlungsquoten.
Gibt es zum Beispiel eine Lücke in den Aufträgen, wird dem Mitarbeiter, Garantiezeiten hin oder her, oft nahegelegt, Urlaub zu nehmen. Erst bezahlten, wenn der aufgebraucht ist, dann unbezahlten Urlaub.
Egal ob im klassischen Arbeitnehmerüberlassungs- oder im Werkvertragsgeschäft: die Abrechnungen sind oft so kompliziert, dass sie für den Mitarbeiter gar nicht nachvollziehbar sind. Das führt zu weniger Nachfragen und vor allem zu weniger Reklamationen.»
Seit einigen Jahren im Trend sind sogenannte Werkverträge. Der Auftragnehmer schuldet hier im Gegensatz zum klassischen Dienstvertrag nicht nur eine fachgemäße und zuverlässige Arbeitsleistung, sondern auch eine eigenverantwortliche Erfüllung des Auftrags und wird erfolgsbezogen vergütet.
Die Vorteile von Werkverträgen für die Kunden liegen klar auf der Hand: Nicht nur die erfolgreiche Herstellung der Dienstleistung ist ausgelagert, auch die Haftung und die Administration. Die Verträge können schnell beendet oder der Vertragspartner ausgetauscht werden. Das schafft noch mehr Flexibilität.
Der Justiziar des großen
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