Inside Polizei
sich auf den Skandal und weideten ihn ausgiebig aus. Die Geschehnisse lasen sich geradezu abenteuerlich und schienen eher einem James-Bond-Roman entsprungen zu sein, doch es war bittere Realität und betraf eine Vielzahl von Spezialeinsatzkommandos in Deutschland. Man vermutete, dass bis zu 30 aktive und ehemalige Antiterrorspezialisten der GSG 9, Spezialeinheiten der Länder und einige Bundeswehrangehörige in die Vorfälle verwickelt waren. Die Medien spekulierten über Hunderttausende Euro, die aus den prall gefüllten Ölschatullen von Muammar al-Gaddafi direkt an die deutsche Elitepolizisten geflossen seien, heimlich und illegal. Die nicht genehmigten Ausbildungen und Trainingseinheiten in Libyen sollen Gaddafis Polizei, Spezialeinheiten und Geheimdienstkommandos zugute gekommen sein. Die Vermittlung der Kontakte lief dabei über eine deutsche Sicherheitsfirma, die ein ehemaliger Angehöriger der GSG 9 betrieb. Infolge der staatsanwaltlichen Ermittlungen berichteten Medien von einem Kontakt der Sicherheitsfirma vor Ort mit deutschem Botschaftspersonal in Tripolis und den eingesetzten Sicherheitskräften der deutschen Vertretung in Libyen. Diese wurden in Krisenregionen zu jener Zeit von der GSG 9 gestellt. Heute sind diese personalintensiven Aufgaben an eine neu geschaffene Spezialeinheit ausgegliedert. Die ASSIK (Arbeitsstab Schutz in Krisengebieten) rekrutiert ihr Personal aus den Reihen der Bundespolizei und unterstützend, speziell bei Personenschutz, dem Bundeskriminalamt. Die Männer der ASSIK sind zurzeit ebenfalls in Kabul und Bagdad eingesetzt.
Gleichermaßen wurde über die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) in dieser Affäre spekuliert. Berichte über eine beratende Begleitung der Schulungen oder gar eine inoffizielle Initiierung durch den deutschen Auslandsgeheimdienst dementierte der BND umgehend. Bestätigt hat der damalige BND-Chef August Hanning ein Treffen im Juni 2006 in Berlin mit ihm, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Gaddafis politisch aktivstem Sohn Saif al-Islam (übersetzt: Schwert des Islam). Bei dieser Unterredung trug, so Hanning, die libysche Seite den Wunsch nach einer deutschen Ausbildungsunterstützung von Spezialeinheiten vor. Zu einer offiziellen Hilfestellung Deutschlands sei es aber zu keiner Zeit gekommen, auch nicht nach dem Staatsbesuch von Bundeskanzler Schröder im Oktober 2004 in Tripolis.
Alle Genannten dementieren kategorisch eine Verwicklung in diese Affäre. Wie auch immer, Anfang 2005 setzte sich eine kleine deutsche Sicherheitsfirma aus der niedersächsischen Provinz in Wiesmoor gegen internationale Anbieter aus England, Frankreich und Italien durch und erhielt den Zuschlag für den Millionenauftrag. Erst später und nur nach und nach gelangten weitere Einzelheiten an die Öffentlichkeit. Der Stellvertreter des deutschen Botschafters räumte ein, anlässlich eines Fußballspieles einen »flüchtigen Kontakt« mit dem Chef der in Libyen operierenden Sicherheitsfirma gehabt zu haben. Nach diesem Gespräch zwischen Diplomat und Sicherheitschef gab es eine Besprechung zwischen dem Chef der Sicherheitsfirma und dem Residenten des BND in Tripolis, der ebenfalls bei diesem Fußballspiel anwesend war.
Ein später eingesetzter Ausschuss des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages entlastete den Bundesnachrichtendienst und sprach ihn von jeglichem Fehlverhalten frei.
Natürlich, die Behördenführungen hatten ja genügend andere Beschuldigte zur Hand, die sie öffentlich anklagen und bestrafen konnten. Alle darin verwickelten aktiven Elitepolizisten wurden Adressat strafrechtlicher und disziplinarrechtlicher Ermittlungen, unter anderem wegen eines vermuteten Verstoßes gegen die Geheimhaltungspflicht. Zusätzlich wurden alle SEK-Beamten umgehend aus ihren Einheiten strafversetzt.
Mitten in diesem Skandal stand Christian, dem das Innenministerium vorwarf, maßgeblich an dem Antiterrortraining in Libyen beteiligt gewesen zu sein.
Dem Polizeipräsidium gelang es wenigstens, in der Berichterstattung über den Libyen-Skandal Christians Verwicklung in die Schlägerei zu verheimlichen, und es verhinderte damit eine noch größere öffentliche Empörung.
Für Christian waren diese neuerlichen und zusätzlichen Beschuldigungen sein berufliches Ende. Dies war ihm schmerzlich bewusst. Schweren Herzens, denn er hing nach wie vor an seinem Job und seinem SEK-Kommando, beauftragte er seinen Rechtsanwalt mit den nächsten Schritten. Dieser
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