Inside Polizei
Groben bei seiner Geschichte und schilderte die Beobachtungen, jedoch distanziert, ohne besondere Schärfe. Melanie hingegen nahm kein Blatt vor den Mund und schwächte ihre Erläuterungen nicht einen Deut ab. Sie stützte die Aussage des Ex-Junkies und belastete die beiden SEK-Männer schwer. Niemand der Polizisten der Dienststelle hatte erwartet, dass sie vor Gericht lügen würde, doch die eigenen Kollegen derart eindeutig in einem Gerichtsverfahren einem Schuldspruch zuzuführen gefiel nicht allen Kollegen. Ganz besonders nicht dem großen behördlichen Freundeskreis der Angeklagten, der immer noch zu ihnen stand. Viele Freunde machte sich Melanie mit einer solchen Aussage in einer eng vernetzten Dienststelle sicher nicht.
Das Gericht tagte und sprach sein Urteil: schuldig.
Die Strafkammer verurteilte beide SEK-Kommissare zu jeweils 15 Monaten Haft auf Bewährung wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung. Sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, bedeutete dies die zwingende Entfernung aus dem Polizeidienst. Die Anwälte beider SEK-Männer legten daraufhin Berufung ein.
Die nächste Instanz verurteilte zwar beide Beschuldigten erneut wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung, senkte aber den Strafrahmen auf neun Monate auf Bewährung. Mit dieser Verurteilung konnten sie ihren Beamtenstatus weiterhin behalten und würden nicht zwangsweise aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Die Anwälte legten ein weiteres Rechtsmittel gegen das Urteil ein, es folgte die Revision vor dem Oberlandesgericht. Dieses wies die Revision jedoch zurück, sodass das Urteil aus der zweiten Instanz Rechtskraft erlangte. Neun Monate auf Bewährung.
Nun oblag es der Behördenleitung, den beiden SEKlern Sanktionen aufzuerlegen. Würden sie es dabei belassen? Käme es zu einer Abwägung zwischen den Verdiensten zweier Elitepolizisten und der Verfehlung einer privaten Schlägerei? Das Disziplinarrecht hält eine Vielzahl an Sanktionsmöglichkeiten bereit: Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und als letztes Mittel die Entfernung aus dem Dienst. Das Disziplinarrecht befasst sich auch mit privatem Fehlverhalten, wenn zum Beispiel das Ansehen der eigenen Dienststelle beschädigt wurde, also bei eigentlich jedem Vorfall, wenn man der Argumentationslinie der Polizeiführung folgt.
Doch die Behördenleitung hatte noch nicht genug, nach dem Ende des Strafverfahrens führte sie das Disziplinarverfahren gegen Christian und Markus fort. Das Ziel des Verfahrens war eindeutig formuliert und bedeutete ihre Entfernung aus dem Polizeidienst. Viele Kollegen der Dienststellen schüttelten wegen dieses Verhaltens ihrer Führung missbilligend den Kopf. Beide Männer waren doch nun wirklich genug gestraft, schließlich waren sie strafrechtlich verurteilt, und zur ebenfalls verhängten Geldstrafe kamen zusätzlich noch Tausende Euro Anwaltskosten hinzu, und eine Zwangsversetzung schien auch unumgänglich. Und damit sollte es auch gut sein, so der allgemeine Tenor der Kollegen bei internen Gesprächen. Aber den Opportunisten in den Führungsetagen reichten diese Strafen nicht aus, sie wollten den Polizeidienst von jeglichem Makel reinwaschen und ein Exempel statuieren. Ohne Rücksicht auf Verluste in den eigenen Reihen.
Der Gerichtsmarathon verlagerte sich nun auf die Verwaltungsgerichte. Der Fall von Markus hängt seit Jahren in den Instanzen der Gerichtskammern fest. Beobachter gehen in seinem Fall davon aus, dass er gute Chancen hat, sich wieder in den Polizeidienst zu klagen. Zu gering war seine Tatbeteiligung, und zu glaubhaft belegte er in den letzten Verfahren seine Reue. Derweil sitzt er immer noch suspendiert zu Hause und bezieht sein Gehalt, seit nunmehr fast sechs Jahren.
Die Existenz von Christian hätte die oberste Behörde mittlerweile am liebsten komplett verleugnet. Denn mitten in seinen Verwaltungsgerichtsprozessen holte den ehemaligen GSG-9-Kämpfer seine geheimnisumwitterte Vergangenheit ein. Diese wenig schmeichelhafte Episode seines Wirkens bereitete den Innenministerien von Land und Bund einige Peinlichkeiten.
Dem Innenministerium gelang es, die Kenntnis dieser Aktenlage über zehn Monate lang geheim zu halten. So lange funktionierte die Vertuschung dieser Vorgänge, bevor das Ganze als Top-Meldung in der Tagesschau kam und auf den Titelseiten sämtlicher deutscher Zeitungen prangte: »Deutsche Elitepolizisten trainierten illegal Gaddafis Truppen«.
Die Presse und die politische Opposition stürzten
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