Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Politikern und Parteien. Der erste Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Steuerfahnderaffäre fiel in die Legislaturperiode, in der die CDU über eine absolute Mehrheit verfügte. Der einzige FDP-Abgeordnete, der zu jener Zeit als Oppositioneller im Ausschuss saß, hieß Roland von Hunnius. Und der zeigte sich damals von der Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht gerade erfreut. In der 84. Plenarsitzung des Hessischen Landtags hielt von Hunnius am 23. November 2005 eine Rede, in der er erklärte:
»Lassen Sie mich mit den personellen Maßnahmen beginnen. Da gibt es eine Verkettung von Merkwürdigkeiten und Absonderlichkeiten, die aufhorchen lässt:
Es wird entdeckt, dass es in Frankfurt eine Überbesetzung an Steuerfahndern gibt. Es folgt eine Umsetzung von 11 Personen aus dem Bereich Steuerfahndung, die – zumindest subjektiv – als Versetzung oder Strafversetzung empfunden wird.
Zugleich entsteht urplötzlich ein besonders großer Personalbedarf in der Servicestelle Recht.
Trotz der angeblich vorhandenen Überbesetzung im Bereich Steuerfahndung erfolgt eine Stellenausschreibung.
Da gehen drei Bewerbungsunterlagen auf dem Dienstweg schlicht verloren.
Es werden Ausschreibungsbedingungen geändert.
Bei den umgesetzten Steuerfahndern handelt es sich um Personen, die in bestimmten Fachfragen – gemeint ist eine Amtsverfügung – anderer Meinung waren als der Amtsleiter. ...
Ich erspare es mir, die Liste der Merkwürdigkeiten und Absonderlichkeiten fortzuführen. Aber es fällt – mit Verlaub – einem unvoreingenommenen Betrachter sehr schwer, daran zu glauben, dass es sich hier um eine zufällige Verkettung handelt ...
Parlament und Landesregierung erwarten von ihren Mitarbeitern in der Finanzverwaltung, dass sie ohne Wenn und Aber zum Staat stehen und sich nicht von zahlungsunwilligen Steuerbürgern und Unternehmen von ihrer Pflicht abbringen lassen. Das kann nur funktionieren, wenn im gleichen Umfang der Staat – repräsentiert durch Vorgesetzte und Ministeriumsspitze – ohne Wenn und Aber hinter seinen Mitarbeitern steht. ...«
Als späterer Koalitionspartner der CDU in der darauf folgenden Legislaturperiode forderten die Freidemokraten mit ihrem Regierungspartner zusammen im zweiten Ausschuss eine Erweiterung des Untersuchungsauftrags um verschiedene Punkte, die – so ließe es sich deuten – die vier zwangspensionierten ehemaligen Steuerfahnder in Misskredit bringen sollten. In dem »Dringlichen Antrag der Fraktion der CDU und der FDP« vom 27. Januar 2010 stand unter anderem zu lesen:
»Es soll insbesondere aufgeklärt werden:
... ob die Dienstunfähigkeit von den vier Steuerfahndern gezielt betrieben wurde.
... warum die vier Steuerbeamten das Reaktivierungsangebot der Finanzverwaltung nicht angenommen haben,
ob eine Reaktivierung auch gegen den bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses 18/1 erklärten Willen der vier Steuerbeamten geboten ist. ...«
Von einem Staat, der »ohne Wenn und Aber« hinter seinen Mitarbeitern stehen sollte, wie es der inzwischen aus dem Landtag ausgeschiedene FDP-Abgeordnete von Hunnius gefordert hatte, schien nicht mehr viel übrig zu sein.
Schließlich erklärte der hessische Ministerpräsident Roland Koch im Januar 2010 vor dem Landtag den Abgeordneten höchstpersönlich:
»Es gibt keinen Skandal. Sie haben das Recht auf einen Untersuchungsausschuss, das dürfen Sie jederzeit – das ist ein Minderheitenrecht. Aber daraus zu schließen, es sei etwas Falsches in diesem Land passiert, ist nach meiner festen Überzeugung falsch.«
Ob er diese Überzeugung auch vertreten hätte, wenn ihm oder einem der Seinen etwas Derartiges widerfahren wäre, weiß nur der ehemalige Landesvater selbst. Heute bleibt lediglich zu hoffen, dass Roland Koch in dem Baukonzern Bilfinger Berger, den er ab dem 1. Juli 2011 als Vorstandsvorsitzender führen wird, ähnliche Personalaffären erspart bleiben – oder seinen künftigen Mitarbeitern, je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet. Immerhin muss man sich um den Ex-Politiker keine wirtschaftlichen Sorgen machen: Zu Kochs Amtszeit hatte die Baufirma immerhin noch einen 80-Millionen-Euro-Auftrag zum Bau der Nordwest-Landebahn erhalten.
Alle vier falsch begutachteten Ex-Fahnder reichten im Dezember 2010 Klage gegen den Psychiater H. und ersatzweise auch gegen das Land Hessen ein. Sie forderten Schadensersatz von dem Mediziner beziehungsweise von der hessischen Verwaltung. Sollten die zwangspsychiatrisierten
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