Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Fahnder mit ihren frühzeitigen Vorbehalten gegen die Amtsverfügung 2001/18 vielleicht sogar recht gehabt haben könnten, bestätigte der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar unfreiwillig im Februar 2008. Der SPD-Politiker Reinhard Kahl richtete im Landtag eine Frage an den Finanzminister. Der Sozialdemokrat wollte nach der von der Bochumer Staatsanwältin in Auftrag gegebenen Durchsuchung des ehemaligen Postchefs Klaus Zumwinkel wissen, wie es mit den 326 Kisten und 357 Ordnern mit Liechtensteiner Steuerakten aussehe, die bereits im Jahr 2004 in einem Untersuchungsausschuss thematisiert worden seien. Dazu muss bemerkt werden, dass das Landgericht Bochum einen über die Liechtenstein-CD überführten hessischen Steuersünder zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt hatte. Als Bewährungsauflage musste der Verurteilte 7,5 Millionen an gemeinnützige Organisationen sowie die Staatskasse bezahlen und dies, nachdem er bereits 7,6 Millionen Euro Einkommenssteuer plus 420 000 Euro Solidaritätszuschlag zurückbezahlt hatte. Eine richtig teure Angelegenheit für den Hessen, den Bochum überführt hatte.
Auf die Anfrage des SPD-Politikers erklärte der hessische Finanzminister erschreckend entlarvend in einem Schreiben vom 22. Februar 2008: Die Fälle seien alle abgearbeitet. Die Steuermehreinnahmen lägen im Durchschnitt bei 208 Euro!
Die Mehrheit der Fahnder im gesamten Bundesgebiet war bis dahin immer davon ausgegangen, dass sich Stiftungen und Geldanlagen in Liechtenstein vornehmlich im siebenstelligen Bereich bewegen. Die Finanzbehörde Frankfurt widerlegte diesen bundesdeutschen Trend mit 208 Euro Mehrsteuer im Schnitt aller Liechtenstein-Fälle. Hessen unter Roland Koch im 21. Jahrhundert!
Die Auszeichnung
Ich selbst schied im April 2009 endgültig aus dem Dienst. Die Altersteilzeit war beendet und ich hatte den Prozess, den ich gegen meine Zwangsversetzung angestrebt hatte, wenige Wochen vor meinem Dienstende verloren. Eine Berufung erwog ich in jenen Tagen nur kurz, denn ein Urteil in der nächsthöheren Instanz wäre erst gesprochen worden, wenn ich bereits nicht mehr im Dienst gewesen wäre.
Ich war seit 1975 in der Steuerfahndung Frankfurt und die letzten Jahre meiner Dienstzeit als Beamter abgeschoben in der Servicestelle Recht, dem Archipel Gulag. Es bedurfte großer Anstrengungen, nicht in vollkommener Verbitterung abzutreten.
Am 7. Mai 2009 erhielt auch ich meine Zulassung als Steuerberater. Rudolf Schmenger und ich hatten die Seiten gewechselt, Marco Wehner wurde Fahrlehrer, Heiko Feser schreibt heute ein Kinderbuch und seine Frau Tina studiert Malerei. Unfreiwillige Biografien ehemaliger deutscher Steuerfahnder …
Am 9. Mai 2009 erhielten Rudolf Schmenger und ich den »Whistleblower-Preis 2009«. Diese Auszeichnung wird seit 1999 alle zwei Jahre von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der deutschen Abteilung der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) vergeben, und geht an Menschen, »die in ihrem Arbeitsumfeld oder Wirkungskreis schwerwiegende, mit erheblichen Risiken oder Gefahren für Mensch und Gesellschaft, Umwelt oder Frieden verbundene Missstände aufgedeckt haben.«
In der Jury-Begründung hieß es:
»Beide Preisträger haben mit Beharrlichkeit die Folgen der ›Amtsverfügung‹ und der anschließenden skandalösen Zermürbung und Zerschlagung der gesamten kritischen Steuerfahndungsabteilung immer wieder heftig und mit guten Gründen kritisiert. Sie haben die direkten und indirekten, die dienstrechtlichen und die politischen Folgen dieser hessischen Vorgänge über Jahre transparent werden lassen – in einer Abfolge vielfältiger Formen des Whistleblowing. Sie haben als Insider entscheidend dazu beigetragen, einen wichtigen staatlichen Bereich mit seinen Missständen dem Einblick der kritischen Öffentlichkeit zu öffnen. Das verdient größten Respekt und öffentliche Anerkennung.«
Wir fühlten uns von diesem Preis geehrt, wenngleich ich offen gesprochen der Meinung war, dass ich bei meinem Engagement gegen die Ungerechtigkeiten in der hessischen Finanzverwaltung in erster Linie meinen Aufgaben als Schwerbehindertenvertreter und ehemaliger Sachgebietsleiter nachgekommen war. Aber, es war eine große Auszeichnung, die uns beide nach den vielen Jahren des fast vergeblichen Kampfes gegen eine übermächtige Behörde mit viel Stolz und Genugtuung erfüllte. Und der Preis spendete auch ein wenig Trost.
Am Tag der Preisverleihung
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