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Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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angehört», antwortete Sally mit unverändert finsterer Miene.
      «Er hat dich nur warnen wollen», fuhr ihre Mutter fort. «Du mußt vorsichtig sein. Manche Jungs legen es eben darauf an, ein Mädchen auszunutzen. Vor allem, wenn es so hübsch ist wie du», fügte sie mit einer Mischung aus Stolz und Sorge hinzu.
      «Ihr könnt mich doch nicht behandeln wie ein kleines Kind», protestierte Sally, «ich bin schließlich schon sechzehn.» Leicht mitleidig sah sie kurz hinüber zu ihrer Mutter, bedachte dann ihren Vater erneut mit einem bitterbösen Blick und wandte sich wieder ihrem Roastbeef zu.
      «Jawohl», meinte Mr. Lumb bestimmt, «und du machst gefälligst, was man dir sagt, solange du noch keine achtzehn bist. So steht's nun mal im Gesetz.»
      In Sallys Augen war dieser Mann, der ihr da am Tisch gegenübersaß, die Wurzel allen Übels, und natürlich paßte Charles Lumb geradezu ideal in das Bild, das sich seine Tochter von ihm gemacht hatte - ein altmodischer, engstirniger Bauerntölpel, dem bei allem, was neu und interessant war, immer nur ein Gegenargument einfiel: «Was für deinen Vater und davor für dessen Vater gut genug war, ist auch gut für dich, junges Fräulein.» Er hatte einen ausgeprägten Hang zum Konservativen, wie man ihn nur bei Leuten findet, deren Familie seit Menschengedenken am gleichen Ort gewohnt hat. Charles Lumb war ein Traditionalist, und als solcher pflegte er häufig darüber zu klagen, daß das Dale, wie er es gekannt und geliebt hatte, dahinstarb. Er wußte, daß der Jugend keine andere Chance blieb, als von hier wegzugehen, und das betrübte ihn. Schon sehr bald, dessen war er sicher, würden auch die letzten Dorfbewohner dem National Trust, der English Heritage oder der Open Spaces Society gehören und wie seltene Tiere in einem Zoo gehalten werden, wo man sie dafür bezahlte, ihre exotischen Lebensformen in einer Art Freilichtmuseum (live) vorzuführen. Anders konnte man die Dinge wohl nicht sehen, wenn man als Enkel eines Möbeltischlers heute bereits als Fabrikarbeiter in einer Großmolkerei gelandet war. Das Handwerk starb aus, weil es unrentabel geworden war, und nur der Tourismus hielt hier und da noch einen Faßbinder, einen Hufschmied oder Wagenbauer am Leben.
      Dennoch, er blieb ein echter Yorkshire-Mann, durch und durch, mit einer angeborenen Neigung zu bissigen Sticheleien, die von einem lebenshungrigen jungen Mädchen wie Sally leicht zu ernst genommen werden konnten. Er gab die abenteuerlichsten Behauptungen und Meinungen über die Interessen und Träume seiner Tochter zum besten, und zwar in einem derart trockenen Ton, daß es niemandem vorzuwerfen war, wenn er den freundlichen Spott nicht erkannte, der sich dahinter verbarg. Wäre Lumb weniger sarkastisch gewesen - und seine Tochter weniger egozentrisch -, hätten beide vielleicht erkannt, wie sehr sie einander liebten.
      Das Problem war nur, daß Charles Lumb gerne etwas mehr gesunden Menschenverstand in seiner Tochter entdeckt hätte. Sie war intelligent, zweifellos, und sie hatte bestimmt keine Schwierigkeiten, auf die Universität zu kommen, um Ärztin zu werden oder Rechtsanwältin. Jedenfalls verdammt viel weniger Schwierigkeiten als er selbst, zu seiner Zeit. Aber nein, es mußte unbedingt diese alberne Akademie sein, und er konnte beim besten Willen nicht erkennen, wozu man lernen mußte, sich das Gesicht zu bemalen und sich im Badeanzug zu produzieren. Sicher wäre er etwas zugänglicher gewesen, wenn er wenigstens geglaubt hätte, daß Sally das Zeug hatte zu einer großen Schauspielerin. Aber dem war nicht so. Vielleicht lag er falsch - hoffentlich -, das würde sich herausstellen mit der Zeit. Vielleicht kam sie wenigstens eines Tages ins Fernsehen, das war ja auch schon was.
      Nachdem ein paar Minuten vergangen waren, in denen Sally pflichtgemäß geschmollt hatte, fand sie es an der Zeit, das Thema zu wechseln. «Habt ihr die Männer gesehen, drüben am Berg?» fragte sie. «Möchte wissen, was die da machen.»
      «Würde mich nicht überraschen, wenn sie was suchen», lautete die trockene Antwort ihres Vaters, der sich noch nicht ganz von dem Streit erholt zu haben schien.
      Sally ignorierte ihn. «Scheinen von der Polizei zu sein. Man kann sehen, wie die Uniformknöpfe in der Sonne blitzen. Ich geh mal rüber nach dem Essen. An der Straße stehen schon jede Menge Leute.»
      «Dann sieh zu, daß du wenigstens vor Mitternacht wieder hier bist», empfahl ihre Mutter.

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