Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
sie ließ mich nicht los.
Sie hielt mich fest, sie ließ mich nicht los,
Es zerriss mir das Herz, mein Gram war so groß.
Kann ein Träumer zurück in die Welt?
Kann er Verantwortung tragen?
Kann ein Mörder Liebe empfinden Oder muss er ewig klagen?
Ich geh allein, geh ohne dich.
Du sahst nicht meine Dämonen.
Lausch nicht den Stimmen, die mich quälten,
Geh nicht in die dunklen Regionen.
Ein Feld, ein Junge und goldener Weizen.
Die Ewigkeit im Blick.
Sie ist so flüchtig, nicht zu halten,
Sie kommt nicht mehr zurück.
War es die Zeit meiner Unschuld, Ein Wink mit dem Zauberstab?
Nur eine Sinnestäuschung, Der Sommer, den es nie gab?
Banks lag im Bett und hörte Neil Byrds CD auf seinem Walkman. Vorher hatte er mit Michelle zu Abend gegessen und mit Annie telefoniert. »Der Sommer, den es nie gab« war das erste Stück auf der CD, aber das Booklet informierte, es sei das letzte Lied, das Byrd aufgenommen hatte, nur wenige Wochen vor seinem Selbstmord. Banks lauschte dem subtilen Wechselspiel von Text und Musik, kontrapunktiert von akustischer Gitarre und Kontrabass, durchwebt von Flöte und Geige wie in Van Morrisons Astral Weeks, und spürte die Verzweiflung und Niedergeschlagenheit des Sängers. Er verstand das Lied nicht, wusste nicht, was die gequälten Sätze bedeuteten, er hörte nur die Seelenqual heraus.
Dieser Mann war am Ende. Und er dachte an sein Kind oder an seine Kindheit. Oder an beides.
Banks konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was dieses Lied für Luke Armitage bedeutet hatte, als er es zum ersten Mal unter Drogeneinfluss bei Liz und Ryan hörte. Annie hatte Recht. Was waren das für gefühllose Idioten? Oder waren sie dumm? Mit Sicherheit konnten sie sich überhaupt nicht vorstellen, welchen Schaden sie anrichteten. Sie hatten nur im Kopf, wie sie Luke für die Musik seines Vaters einnehmen konnten, um die eigene Karriere voranzubringen.
Banks dachte an das Rimbaud-Zitat, das in Silber auf Lukes schwarzer Wand stand: Le Poëte se fait voyant par un long, immense et raisonné déreglement de tous les sens.
Und, war Luke ein Seher geworden? Was hatte er gesehen?
Wollte er sich mit Valium umbringen oder wollte er nur seine Schmerzen betäuben?
In Banks' Vorstellung verschmolzen Luke Armitage und Graham Marshall zu einer Person. Sie mochten aus unterschiedlichen Gründen auf unterschiedliche Weise gestorben sein, aber beide waren Kinder, die sich in der Erwachsenenwelt verloren hatten, deren Bedürfnisse und Gefühle größer als die von Jungen waren, zu stark und zu komplex, um sie zu verstehen. Graham hatte versucht, in der ersten Liga mitzuspielen, und hatte verloren. Luke hatte am falschen Ort Liebe und Anerkennung gesucht. Auch er hatte verloren. Auch wenn sein Tod ein Unfall gewesen war, so besaß er doch eine große Tragik. Es war ein Stück in mehreren Akten, jeder Vorhang eine Tür, die hinter Luke zuschlug, je näher er seinem Schicksal kam.
Banks legte den CD-Spieler auf den Nachttisch, drehte sich um und versuchte zu schlafen. Das Lied hatte ihn traurig gemacht. Er fühlte sich einsam und hatte das schmerzliche Bedürfnis, jemanden im Arm zu halten. Plötzlich wünschte er sich, bei Michelle geblieben zu sein, nachdem sie zusammen geschlafen hatten. Fast hätte er sein Handy hervorgeholt und sie angerufen, aber es war schon nach zwei, also viel zu spät. Außerdem, wie würde sie reagieren, wenn er schon zu Beginn ihrer Beziehung eine solche Bedürftigkeit an den Tag legte? Wahrscheinlich würde sie davonlaufen wie Annie. Und zu Recht.
Nebenan schnarchte sein Vater. Wenigstens hatte es so etwas wie eine Versöhnung zwischen ihnen gegeben. Obwohl Arthur Banks das niemals zugeben würde, benahm er sich seit dem Abend im Pub anders. Er war stolz, dass sein Sohn den Mord an Graham gelöst hatte - auch wenn Banks darauf bestand, dass Michelle die meiste Arbeit gemacht habe - und dass Jet Harris' Schuld nicht verschwiegen wurde. Vielleicht war der Alte zum ersten Mal in seinem Leben stolz auf seinen Sohn.
Wie seltsam es war, zu Hause im alten Bett zu liegen. Beim Einschlafen stellte Banks sich vor, wie ihn seine Mutter morgens rief: »Beeil dich, Alan, sonst kommst du zu spät zur Schule!« In seinem Traum legte er sich die Krawatte um, flitzte nach unten, schnell eine Schale Cornflakes und ein Glas Milch, dann griff er zu seinem Tornister und hastete nach draußen. Doch als er aus dem Haus trat, warteten
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