Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Wagen und begleitete sie zur Tür. Das gefiel ihr. Laura trank einen Schluck und stellte das Glas wieder ab.
Um sie herum waren die Umzugskartons bereits gepackt. Am darauffolgenden Morgen wollte sie den Dorfstaub von ihren Schuhen schütteln. Und das keinen Moment zu früh. Sie hatte bei Freunden in Stoke Poges gewohnt, um die Arbeiten an ihrem neuen Haus zu überwachen, das ganz in der Nähe lag. Midsomer Worthy hatte sie nur noch Stippvisiten abgestattet, um ihre Post einzusammeln und ihren Anrufbeantworter abzuhören.
Mehrere Nachrichten waren von Amy gewesen. Sie hatte den Wunsch geäußert, sich mit Laura zu treffen. Sie wollte sich bei ihr dafür bedanken, daß sie ihr das Leben gerettet hatte. Laura hatte ihr schließlich eine Karte geschrieben, daß das ganz unnötig sei und sie leider im Augenblick keine Zeit habe. Amy hatte den Wink offenbar verstanden, denn selbst wenn der Porsche in der Auffahrt gestanden hatte, war Amy nie vorbeigekommen.
Das letzte was Laura wollte, war an die schreckliche Tragödie erinnert zu werden, die sie in >Gresham House< erlebt hatte. Später, als sie von der Polizei aufs Revier gebracht worden war, hatte sie erklärt, daß alles so schnell gegangen sei und sie gar keine Zeit gehabt hätte, einen Schock zu erleiden.
Sie hatte einfach eine Scheibe eingeschlagen, war durch das Fenster geklettert und die Treppe hinaufgelaufen, wo die Schreie hergekommen waren. Kaum war sie in das Zimmer gestürmt, hatte Honoria Amy losgelassen, war zum offenen Fenster gelaufen, hatte sich aufs Fensterbrett geschwungen und war gesprungen. Sie hatte nicht geschrien, weder beim Sprung noch beim Aufprall. In Sekundenschnelle war alles vorüber gewesen.
Laura hatte noch immer nicht recht begriffen, was eigentlich geschehen war, und sie wollte es eigentlich auch nicht wissen. Sie hatte nur kapiert, daß ihre Entscheidung, auf Chefinspektor Barnabys Vorschlag hin Amy aufzusuchen, rückblickend das einzig Richtige gewesen war. Sie hatte das Bild in Amys Medaillon nie gesehen, das offenbar der Grund für die ganze Aktion hatte sein sollen. Aber jetzt wollte sie die ganze wirre Geschichte so schnell wie möglich vergessen. Und das war ihr auch schon recht gut gelungen.
Besonders überrascht war sie dabei über die schnelle Wandlung ihrer Gefühle für Gerald Hadleigh. Schon bald, nachdem sie von seinem seltsamen Doppelleben erfahren hatte, war die obsessive Leidenschaft, die ihr Leben dominiert hatte, auf wundersame Weise geschwunden. Sie kam sich vor wie Titania, die von einem geheimnisvollen Zauber befreit worden war.
Das eindeutige Motorengeräusch eines Jensen riß sie aus ihren Gedanken. Laura griff nach der Handtasche. Auf dem Weg zur Tür blieb sie kurz vor ihrem mittelalterlichen Prinzen stehen und betrachtete nachdenklich sein melancholisches Gesicht. So sehr ihr das Gemälde auch ans Herz gewachsen war, in diesem Moment empfand sie es zum erstenmal als ärgerlich und fragte sich, ob sie nicht vielleicht doch zuviel hineininterpretiert hatte. Laura tätschelte dem jungen Mann die Hand und sagte: »Kopf hoch. Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm.«
Der Türklopfer schlug an. Er war da. Sie griff nach der schmalen Goldkette, die neben dem Gemälde hing, und zog daran. Das Licht ging aus.
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