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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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«– und sagen: ‹Wie ich den Mann verabscheut habe.›»
    Jury lachte. «Wirklich stichhaltige Gründe, die Sie zur Hauptverdächtigen machen.»
    Mittlerweile hatte sie zu einem Kartenspiel gegriffen, mit dem sie flink und gekonnt hantierte. «Ich gehe doch nur schlau vor. Ich habe ein Motiv, die Gelegenheit und kein Alibi. Und hätte gut sehen können, wie er ins Sommerhaus ging.» Sie langte zu einem Stuhl hinüber und hob einen Feldstecher hoch. «Ich beobachte Vögel. Der hier ist sehr scharf.»
    Während Jury zusah, wie sie einen schwarzen König gegen eine rote Dame austauschte, fragte er: «Und was ist mit der Waffe?»
    «Ein Stockdegen. Fünfunddreißig Zentimeter lang, gehärteter Stahl, knorrige Nußbaumscheide.» Sie nahm die Kartenreihen auf, mischte und begann, sie aufs neue in Reihen auf den Tisch zu klatschen. «Haben Sie Hannah schon kennengelernt? Nein, Crick dürfte Sie zunächst zu mir geführt haben. Hannah nimmt es sich wahrscheinlich sehr zu Herzen –»
    «Wahrscheinlich?»
    «Na ja, ich habe sie nur einen Augenblick zu Gesicht bekommen – sie sah völlig erledigt aus –, aber sie hat ihre Gefühle erstaunlich gut unter Kontrolle.» Lady Summerston starrte in die Feme. «Wie ihre Mutter. Wie Alice. Komisch, wo doch Gerry und ich das Herz immer auf der Zunge getragen haben.»
    «Ihre Tochter ist verstorben?»
    Jetzt flatterten die Hände nicht mehr so fahrig über den Karten, und es entstand ein Schweigen, dem das ganze Bedauern anzumerken war, das ihren Worten gefehlt hatte. «Ja. Als Hannah noch ganz klein war. Es hat sie um so mehr getroffen, als sich ihr Vater aus dem Staub gemacht hatte. Die Frauen der Summerstons scheinen immer an den Falschen zu geraten. Die Männer sind da besser gefahren.» Sie schenkte Jury ein bissiges kleines Lächeln. «Ich mag Hannah recht gern. Sie bleibt für sich; gelegentlich kommt sie zum Kartenspielen herauf; manchmal essen wir abends zusammen.»
    Für Jury klang das, als hätten sie einander weder Gesellschaft noch Trost zu bieten.
    «Sie hat sehr an ihrem Großvater gehangen – Gerry; ihre Mutter hat sie vergöttert. Wir waren mal vier, dann drei, jetzt sind wir nur noch zwei.»
    Simon Lean war als fünfter anscheinend nie in Betracht gekommen.
    «Gerald – mein verstorbener Mann –» erklärte sie zum x-ten Mal – «hat sehr an dem Besitz hier gehangen und hat fast alles, Stück für Stück, von seinen Reisen mitgebracht. Darum halte ich den Besitz zusammen, solange ich kann. Du lieber Himmel – als ob wir mit unserem vielen Geld nicht auskommen, als ob wir am Bettelstab enden würden. Simon hat es mit vollen Händen ausgegeben. Spielschulden und dergleichen. Aber er war nun mal mit diesem armen Mädchen verheiratet, und sie hat ihn angebetet, da bin ich ganz sicher. Ich glaube, es gibt Frauen, die sind einfach zum Opferlamm geboren.» Ihr Ton machte klar, daß sie nicht dazugehörte.
    «Er hat also ihr Erbe durchgebracht?»
    «Nein; das hatte sie ja noch gar nicht. Oh, selbstverständlich hatte sie Geld, aber noch nicht das wirkliche .» Ihr Lächeln war messerscharf. «Dafür hat Gerald gesorgt, als sie Simon heiratete. Aber er hat sicherlich genug von ihr bekommen, daß er sich alles kaufen konnte, wonach ihm der Sinn stand. Soviel ich weiß, auch Frauen. Wenn ich sterbe, erbt sie natürlich eine Riesensumme. Geld interessiert sie nicht; Simon interessierte sich für nichts anderes.»
    Jury lächelte. «Das klingt mir nicht so, als ob Sie Ihre Möbel verkaufen müßten, Lady Summerston.»
    Sie blickte ihn fragend an. «Muß ich auch nicht. Mir geht es nur um das Feilschen. Sotheby’s habe ich einen Vermeer verkauft, und Mr. Trueblood den prächtigen alten secrétaire , wie Sie wissen. Sein Pech. Wie ihm wohl zumute gewesen ist, als er darin statt Literatur eine Leiche gefunden hat?»
    «Man hat die Bücher herausgenommen, ehe der Tote …»
    «… hineingestopft wurde? Wenn sich das nicht hier zugetragen hätte, ich würde es einfach phantastisch finden. Aber wirklich schade um die Bücher. Ich habe den Preis des Ulysses ganz schön hochgejubelt, wenn auch nicht so hoch, wie ich ihn für den kleinen Mistkerl gemacht hätte, diesen Theo Browne.»
    «Hat Mr. Browne Ihnen denn ein Angebot gemacht?»
    Sie schnitt eine Grimasse. «Er versucht schon lange, Gerrys Bibliothek in die Finger zu kriegen. Aber Mr. Trueblood gefällt mir, ein recht netter junger Mann; erstklassiger Pokerspieler mit Pokergesicht. Selbstverständlich hat er nicht halb

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