Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Schule, wenn du mit der Schule fertig bist . Tommy versuchte, das quälende Gefühl loszuwerden, daß sie ihn gar nicht wirklich bei sich haben wollte, nicht mal jetzt. Und doch hatte sie ihm das Geld geschickt. Noch nie im Leben hatte er fünfundsiebzig Pfund auf einem Haufen gesehen.
    Von Galleon’s Reach kam der trostlose Warnton einer Glockenboje. Ein Schlepper auf dem Weg zu einem schwarzen Schiffsrumpf weiter draußen in der Mündung fiel schwermütig ein. Er war noch nicht mal fort, und schon hatte er Heimweh. Er spürte den bedrückenden Schatten des vorbeifahrenden Schleppers und überlegte, wie viele Becher starken Tees er schon vom Maschinenraum an Deck getragen hatte. Er liebte den Fluß, aber Sadie liebte er auch, und nie im Leben war er so traurig gewesen wie an dem Tag, als sie von Gravesend nach London gegangen war. Die Erinnerung an sie veränderte sich ständig, war fast wie ein Traum, daß er manchmal meinte, er hätte sich das alles nur ausgedacht. Aber er hatte doch noch so viele Kleinigkeiten aus ihrer Kindheit so klar vor Augen, oder? Eher aus seiner Kindheit. Sie war zwölf Jahre älter, aber er glaubte sich zu erinnern, daß sie ihn immer mitzockeln ließ, ihm beim Zeitungshändler Süßigkeiten kaufte, auf dem Gehsteig mit Kreide Käsekästchen für ihn aufzeichnete und mit ihm im Kinderhaus spielte.
    Zwei weitere Schlepper rauschten vorbei, färbten sich im letzten Schein des Sonnenuntergangs auf dem Wasser blutigbraun. Es war eine Fläche, auf der die fahle Sonne erst zu schweben und dann unterzugehen schien. Weit draußen konnte er die winzigen, schwarzen Gestalten der Schleppercrew sehen, wie sie auf die Leichter kletterten, sie auseinanderzogen und am Schlepper vertäuten, so daß man sie zur Werft schleppen konnte.
    Nach Sonnenuntergang bekamen die verlassenen Gebäude, die vernagelten Fenster der Speicher etwas Trostloses, Unbehaustes. Er sah zu, wie der Schlepper zur Werft zurücktuckerte, in seinem Schlepptau die Leichter.
    Komisch, aber morgen würde er dann wohl in einen Zug steigen und in eine Stadt fahren, die nur ein paar Meilen stromaufwärts lag und die man unendlich viel einfacher auf dem Fluß da erreichen konnte; er brauchte nur bei Wapping Old Stairs oder Pelican Stairs von Bord eines Schiffes zu gehen oder von einem Schlepper herunterzuklettern und könnte dort sein Glück machen.
    Aber das war sicher nicht das Glück, das Marco Polo erwartet hatte.
     
    Die Schüssel war leer; niemand rief.
    Die weiße Katze wanderte auf leisen Pfoten um die ausgetrockneten Wasserbecken herum und den kiesbedeckten Pfad durch die sorgfältig angelegten Gärten entlang. Einen Augenblick blieb sie ganz still sitzen und rührte sich nicht, dann schob sie sich durch eine Schneeballhecke. Unter einem Rosenbusch hielt sie erneut inne. Weiße Blütenblätter rieselten herab, als die weiße Katze einen Satz nach einem grauen Schatten machte, der auf dem Kiesweg vorbeihuschte. Sie jagte eine Feldmaus. Doch die Feldmaus verschmolz mit dem Grau und Braun von Kies und Stein, so wie die weiße Katze mit einer Einfassung aus weißen Sommerblumen verschmolz, als wären sie beide nicht wesenhaft, ein Schemen, der einem Schemen nachjagt.
    Jetzt hockte die weiße Katze in einem Boskett neben der Steinfigur einer jungen Frau, die eine geborstene, vom Regen gefüllte Schale hielt. Hier ließen sich zuweilen Finken und Zaunkönige nieder. Die Katze saß im Morgenlicht, blickte an der rosenüberrankten Pergola vorbei und spitzte die Ohren. Es schien, als könnte sie über dem Getriller und Geschmetter der Vögel die Maus hören, die beinahe geräuschlos durch Eibenhecke und Bodenbedecker huschte. Licht sickerte durch die Kletterpflanzen und legte sich in perlfarbenen Streifen über das Fell der Katze.
    Die Nebelschleier über dem Gras lösten sich in der Sonne auf, Tautropfen fielen von den Kletterpflanzen und Rosenblüten, welche die Pergola überrankten. Die weiße Katze beobachtete, wie sich ein Tropfen am Rand eines Blütenkelchs bildete, herabfiel und zerplatzte, ehe sie ihn mit der Pfote auffangen konnte. Sie gähnte, blinzelte und döste im Sitzen ein.
    Ein Laut, eine Witterung; sie öffnete die Augen und spitzte die Ohren. Ihr Blick wanderte nach oben; auf einem Rhododendron hatte ein Rotkehlchen gesessen, das jetzt aufflog. Die Katze verließ das Boskett und wanderte zum Ufer des nahe gelegenen Flüßchens. Hier duckte sie sich und beobachtete einen Zaunkönig bei seinem Bad im Staub. Ehe sie

Weitere Kostenlose Bücher