Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
von ihm erwartet wurde.
»Aber ich krieg gelegentlich was mit.« Er schwieg kurz. »Versuch, nicht hinzuhören, aber manchmal geht's nicht anders.«
»Zum Beispiel?«
»Sie würden also ein Wort für mich einlegen?«
Rebus blieb stehen. Er schien die Aussicht zu bewundern. »Ich könnte behaupten, du bist einer von meinen Leuten. Könnte dafür sorgen, dass es so klingt, als wärst du jemand Wichtiges.«
»Aber in Wirklichkeit war ich nicht Ihr Spitzel, klar? Darauf kommt's an.«
Rebus nickte. »Aber du hast was anzubieten?«
Cal sah sich um, als könnte ihn sogar dort jemand belauschen. Als er weiterredete, sprach er so leise, dass Rebus sich ganz dicht neben ihn stellen musste, um ihn zu verstehen.
»Sie wissen, dass ich für Mackenzie arbeite?«
»Du bist sein Schuldeneintreiber.«
Brady stellte sich bei dem Wort auf die Hinterfüße. »Manchmal hat er Außenstände. Kommt in vielen Branchen vor.«
»Klar.«
»Ich sorg dafür, dass seine Gläubiger wissen, auf welches Risiko sie sich da einlassen.«
Rebus lächelte. »Hübsch formuliert.«
Brady schaute sich wieder um. »Petrie«, erklärte er, als sei damit alles gesagt.
»Ich weiß«, erwiderte Rebus. »Nicky Petrie schuldete Charmer Geld, hat anstelle einer letzten Zahlungserinnerung Prügel bezogen.«
Aber Brady schüttelte den Kopf. »Das war die Schwester, die ihm Geld schuldete.«
»Ama?« Brady nickte. »Warum dann Nicky verkloppen?«
Brady schnaubte. »Die ist ein eiskaltes, taffes Biest. Vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen. Aber sie mag ihren kleinen Bruder. Sie liebt den kleinen Nicky...«
»Also war die Botschaft in Wirklichkeit an sie gerichtet?« Rebus ließ sich das durch den Kopf gehen, erinnerte sich an etwas, das Ama auf dem Schönheitswettbewerb zu ihm gesagt hatte: Wem bin ich Geld schuldig? »Warum hat sie sich das Geld nicht von ihrem Vater geben lassen?«
»Die Sache ist, die würde ihn nicht mal um Hilfe bitten, wenn ihr das Wasser bis zu den Nasenlöchern stünde, und er würde ihr nicht mal helfen, wenn er einen Rettungsring-Großhandel hätte.«
»Ich versteh immer noch nicht, was das mit mir zu tun haben soll.«
»Diese Wohnung der beiden.«
»Was ist damit?«
»Sie wohnt da. Die Blondine, nach der Sie gefragt haben.«
Rebus starrte Brady an. »Sie wohnt dort?« Brady nickte. »Wie heißt sie?«
»Nicola, glaub ich.«
»Woher weißt du das alles?«
Brady zuckte die Achseln. »Die können einfach die Klappe nicht halten, diese Typen.«
Rebus dachte an die Szene auf dem Clipper... an den Betrunkenen, der um ein Haar etwas gesagt hätte, wenn Ama Petrie ihm nicht über den Mund gefahren wäre...
»Die wissen über diese Nicola Bescheid?«
»Die wissen alle Bescheid.«
Was bedeutete, dass sie alle Rebus angelogen hatten... einschließlich Brüderchen und Schwesterchen, Nicky und Ama.
»Ist sie Nickys Freundin?«
Brady zuckte wieder die Schultern.
»Oder vielleicht Amas?«
»Ich halt mich da raus«, sagte Brady und machte eine entsprechende Geste mit der Hand: Ende der Diskussion.
»Und was ist mit dir, Cal? Noch immer mit Joanna zusammen?«
»Geht Sie gar nix an.«
»Wie geht's Billy Boy? Meinst du nicht, dass er bei seinem Dad besser aufgehoben wäre?«
»Das will Joanna aber nicht.«
»Hat irgendjemand auch mal Billy gefragt, was er will?«
Bradys Stimme wurde lauter. »Der ist noch 'n Kind. Wie soll er wohl wissen, was für ihn das Beste ist?«
»Jede Wette: In seinem Alter wusstest du ganz genau, was du wolltest.«
»Kann sein«, räumte Brady nach kurzem Nachdenken ein. »Aber Sie können Gift darauf nehmen, dass ich's nicht gekriegt hab.« Er lachte.
»Vielleicht krieg ich's immer noch nicht. Wissen Sie, was ich von der ganzen Sache halte?«
»Was?«
»Na, da gucken Sie mal.«
Und Rebus guckte und sah, wie Cal Brady seinen Hosenschlitz öffnete, seinen Penis herausholte und über die Kante der Radical Road zu urinieren begann. Aus seinem sicheren Abstand heraus hatte Rebus den Eindruck, dass er auf Holyrood, Greenfield und St. Leonard's, in einem riesigen Bogen auf die ganze Stadt pisste.
Und wenn er in dem Moment dazu imstande gewesen wäre, hätte Rebus möglicherweise mitgepisst.
52
Als er und Siobhan Clarke nach einem Einsatz wieder auf dem Weg zur St.-Leonard's-Wache waren, machte Rebus einen Umweg über die Neustadt. Clarke hütete sich, nach dem Grund zu fragen. Er würde es ihr sagen, wenn er es für richtig hielt, und keinen Augenblick eher.
Es war später Nachmittag,
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