Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
größten Teil in Peterhead würden absitzen müssen. Hätte Rebus dort jemanden gekannt, hätte er vielleicht ein Wort für Ince einlegen können. Aber er kannte dort nicht eine verdammte Menschenseele...
»Was hat gar nichts mit Nicky zu tun?«, fragte er.
»Es ist meine Schuld, er kann nichts dafür.«
Rebus verstand: Sie glaubte, Nicky habe geredet, sich irgendwie belastet. Sie unterschätzte ihn. Das war der Riss, den Cal Brady in ihrer Rüstung erkannt hatte; sie liebte ihren Bruder zu sehr.
Rebus lehnte sich zurück, wusste jetzt, wie er das Spiel aufziehen musste. Er fragte sie, ob sie etwas zu trinken wolle. Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Ich will eine Aussage machen«, platzte sie heraus.
»Dann brauchen Sie wahrscheinlich einen Rechtsbeistand, Ms. Petrie.«
»Scheiß drauf.« Sie unterbrach sich plötzlich. »Ist Nicky hier? Auf dieser Wache?«
»Sitzt gemütlich in seiner Zelle.«
»Gemütlich?« Ihre Stimme zitterte. »Armer Nicky...« Sie weinte nicht, aber ihr Gesicht wirkte angespannt.
»Wusste Dämon Mich, dass Nicky in Wirklichkeit keine Frau war?«
»Wie hätte er es nicht wissen sollen?«
Rebus zuckte die Achseln. »Ihr Bruder ist ziemlich überzeugend.« Sie gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Er sagte früher immer, er hätte das Mädchen und ich der Junge werden sollen.«
Rebus wusste, dass Nicky mit zwölf von zu Hause weggelaufen war. Er war seitdem nicht mehr stehen geblieben ...
»Also, was ist auf dem Boot passiert?«
»Wir hatten alle getrunken.« Sie sah ihn an. »Sie wissen ja, wie es auf Partys zugeht.«
Sie versuchte, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Zu spät dafür, aber er nickte trotzdem.
»Dann brachte Nicky diesen Proll unter Deck.«
»Proll?«
»Im Sinn von schlicht und geradeheraus. Ich bin kein Snob, Inspector.«
»Natürlich nicht. Ich gehe davon aus, dass Sie alle von Nicks... Vorlieben wussten?«
»Die ganze Clique, ja. Ein paar Pärchen tanzten, Nicky und Dämon haben dann auch angefangen.« Ihr Blick schweifte ab: Sie rief sich die Szene vor Augen. »Nicky hatte den Kopf auf Dämons Schulter gelegt, und für einen Augenblick sind sich unsere Blicke begegnet... und er sah glücklich aus.« Sie kniff die Augen zu.
»Was ist dann passiert?«
Sie schlug die Augen wieder auf und starrte auf den Tisch. »Alfie und Cherie waren eines der anderen Paare. Alfie war so betrunken, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Aus Jux hat er sich rübergebeugt und Nicky die Perücke vom Kopf gerissen. Nicky hat ihn durch den ganzen Raum gejagt. Und Dämon stand einfach so da, wie vom Donner gerührt. Er sah aus... in dem Moment sah das wirklich zum Lachen aus. Dann rannte er zur Treppe und hoch. Nicky bekam mit, was passierte, und lief ihm nach...«
»Und dann haben sie sich geprügelt?«
»Das hat er Ihnen erzählt?« Sie lächelte. »Der liebe Nicky... Sie haben ihn gesehen, Inspector. Er könnte keiner Fliege was zuleide tun. Nein, als ich oben auf dem Deck war, hatte dieser Dämon Nicky zu Boden geschlagen. Er würgte ihn und schlug gleichzeitig seinen Kopf immer wieder auf die Deckplanken. Zerrte ihn hoch... knallte ihn wieder runter. Ich habe eine leere Weinflasche aufgehoben und ihm gegen die Schläfe gehauen. Der ist davon nicht ohnmächtig geworden oder so. Die Flasche ist nicht mal kaputtgegangen, wie man das immer in den Filmen sieht. Aber er hat Nicky losgelassen und ist aufgestanden.«
»Und?«
»Und dann torkelte er, schien das Gleichgewicht zu verlieren und fiel über die Reling und ins Wasser. Es ist komisch ... das Deck ist gar nicht so hoch über der Wasserlinie... als er fiel, hat es kaum geklatscht.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich musste mich vergewissern, dass mit Nicky alles in Ordnung war. Ich habe ihn wieder mit nach unten genommen. Die Kehle tat ihm weh, aber ich habe ihm einen Brandy eingeflößt.«
»Ich meine, was haben Sie in Sachen Dämon unternommen?«
»Ach so...« Sie dachte darüber nach. »Na ja, bis ich wieder nach oben gegangen bin, war von ihm nichts mehr zu sehen. Ich habe angenommen, er sei ans Ufer geschwommen.«
Rebus starrte sie an. »Sind Sie ganz sicher, dass Sie das
angenommen haben?«
»Um ehrlich zu sein... ich würde nicht beschwören, dass ich überhaupt irgendwas gedacht habe. Er war weg, und er konnte Nicky nicht mehr weh tun, das war alles, was für mich zählte. Das ist immer alles, was für mich je gezählt hat. Sie sehen also - was immer Nicky Ihnen berichtet haben mag, es hatte nur den
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