Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
erhielt Rebus einen Anruf von Brian Mich.
»Was gibt's, Brian?« Aber er hatte es schon an seinem Ton erraten.
»Ach, Scheiße, John, sie hat mich verlassen.«
»Tut mir Leid, das zu hören, Brian.«
»Wirklich?« In Brians Lachen schwang ein leicht ungläubiger Unterton.
»Wirklich. Es tut mir ehrlich Leid.«
»Aber sie hat's dir gesagt, oder?«
»Irgendwie indirekt, ja.« Rebus schwieg kurz. »Und, weißt du, wo sie ist?«
»Lass die Scheiße, John. Sie ist bei dir zu Haus.«
»Was?«
»Du hast mich verstanden. Sie wohnt bei dir.«
»Das ist mir neu.«
»Sie kennt sonst niemanden dort.«
»Es gibt Pensionen, möblierte Zimmer...«
»Du hast sie nicht bei dir aufgenommen?«
»Mein Wort darauf.«
Es folgte ein langes Schweigen. »Herrgott, John, es tut mir Leid. Ich bin ganz krank vor Sorge.«
»Völlig verständlich, Brian.«
»Meinst du, es würd sich lohnen, dass ich rüberkomme und nach ihr suche?«
Rebus atmete aus. »Was glaubst du?«
»Ich glaube, dass sie mich früher geliebt hat.«
»Und jetzt nicht mehr?«
»Sonst wäre sie wohl nicht gegangen.«
»Wohl wahr.«
»Selbst wenn sie Dämon finden sollte, glaub ich nicht, dass sie noch zurückkommt.«
»Lass ihr ein bisschen Zeit, Brian.«
»Ja, klar.« Brian Mich schniefte. »Weißt du was? Das hat mir früher gefallen, dass die Leute mich Barney nannten. Ich weiß, wie ich zu dem Namen gekommen bin.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, dass du's nicht weißt?«
»Ja, sicher, aber ich weiß es. Barney Geröllheimer, aus Familie Feuerstein . Weil alle meinten, ich war auch so ein zurückgebliebener Neandertaler. Einer hat mich auch mal ausdrücklich so genannt:
nicht bloß ›Barney‹, sondern ›Barney Rubble‹.«
Rebus lächelte. »Aber trotzdem hat dir der Name gefallen?«
»Das hab ich nicht gesagt. Ich hab gesagt, dass es mir gefiel, einen Spitznamen zu haben. Das war so was wie eine Identität, nicht? Und das ist immer noch besser als gar nichts.« Rebus musste lächeln. Er sah jetzt Barney Mich vor sich, den zähen kleinen Kämpfer, der sich ins Getümmel stürzte, um Mitch zu retten. All die Jahre, die die Gegenwart von diesem längst vergangenen Ereignis trennten, schienen mit einem Mal zu verschwinden. Es war so, als könnten die beiden einträchtig nebeneinander leben, die Vergangenheit eine geisterhafte Gefährtin des Hier und Jetzt. Nichts verloren, nichts vergessen, die Erlösung eine stets präsente Möglichkeit.
Aber wenn das stimmte, wie konnte er erklären, dass Dr. Margolies nie einen Gerichtssaal von innen sehen würde, dass nur einige wenige Menschen von seinen Verbrechen wussten? Und wie sollte man erklären, dass der Staatsanwalt Cary Oakes offenbar nur des versuchten Mordes an Alan Archibald anklagen konnte? Sämtliche Beweismittel, durch die ihn die Kriminaltechnik mit Jim Stevens in Verbindung brachte - Fingerabdrücke und Gewebefasern in Stevens' Wagen - ließen sich irgendwie wegerklären: Oakes hatte schon früher in diesem Auto gesessen. Verdammt, drei Polizeibeamte hatten beobachtet, wie er in ihm vom Flughafen weggefahren war. Man würde die Stevens-Akte zwar nicht schließen, aber niemand würde noch weitere Untersuchungen durchführen. Jeder wusste, wer der Täter war, aber wenn sie kein Geständnis bekamen, konnten sie nichts tun.
»Spielen wir unsere höchsten Karten«, hatte der stellvertretende Staatsanwalt gesagt. Das bedeutete, den tätlichen Angriff auf Rebus ebenfalls fallen zu lassen, obwohl der Taxifahrer sich bereit erklärt hatte, vor Gericht auszusagen.
»Zu viele mögliche Angriffspunkte für die Verteidigung«, meinte der stellvertretende Staatsanwalt. Rebus bemühte sich, es nicht persönlich zu nehmen. Er wusste, dass die Strafverfolgung eine Sache für sich war, bei der der beste Spieler verlieren und der Schummler gewinnen konnte. Dass es Sache der Polizei war zu ermitteln und die Fakten vorzulegen und anschließend die Sache von Anwälten wie Richie Cordover, alles so lange zu verdrehen, bis Geschworene und Zeugen ihnen abnahmen, dass Celtic-Fans die Protestantenhymne »The Sash« sangen und Cowdenbeath ein Traumurlaubsziel war.
»Hey, John?«, sagte Brian Mich.
»Ja, Barney?«
Brian lachte über die Anrede. »Was hältst du davon, bei Gelegenheit übers Wochenende vorbeizukommen - nur du und ich, he? Wir könnten beim Karaoke ein Duett singen und mal wieder ein paar alte Anbaggersprüche ausprobieren.«
»Klingt gut, Barney. Ich ruf dich bei Gelegenheit an.« Und beide
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