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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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zurückkehrte, kam ihm der Gedanke, dass Cyrils Taktik auch die seine war: ausgestreckt und nah am Boden. Ach, du meine Güte, überlegte er dann. Cyril konnte einen aber auch ganz schön in den Wahnsinn treiben.

    Wiggins blickte von irgendeiner Schreibarbeit auf, als Jury eintrat.
    »Irgendeine« Schreibarbeit war kaum der richtige Ausdruck dafür. Jury sah einen völlig übersäten Schreibtisch vor sich: Papiere, Aktenordner, Briefumschläge, Aktenvermerke, Infomaterial über die Metropolitan Police. Wiggins hätte genauso gut die Presseabteilung der Met sein können.
    »Wiggins, vor zwanzig Minuten war bei Ihnen weit und breit kein Fetzchen zu sehen, es war sozusagen Flugverbotszone für Papier. Woher zum Teufel kommt denn jetzt das ganze Zeug?«
    »Ach, das? Vom Boten. Sie wissen doch, der jeden Tag um elf vorbeikommt. Aber keine Sorge, ich habe das im Nu erledigt.«
    Ehrfürchtig sah Jury zu, wie Wiggins’ Finger sich schneller bewegten als bei einem, der im Casino die Spielkarten ausgab; wie sie den Papierberg- schwuppdiwupp – in Papierkorb, Schublade und Aktenordner verteilten.
    »Erstaunlich. Sie haben den Beruf verfehlt – Sie hätten Taschendieb werden sollen.«
    Wiggins setzte ein breites Humphrey-Bogart-Grinsen auf. »Danke, Schätzchen. Ach übrigens, Dr. Nancy hat angerufen. Sagt, Sie wollten sich heute noch treffen. DS Chilten ebenfalls. Liegt auf Ihrem Schreibtisch.«
    Jury besah sich die Nachrichten: Ron, Phyllis.
    »Aguilar hat nach Ihnen verlangt.«
    So konnte man es auch ausdrücken.
    »Ich bin dann im Leichenraum«, sagte Jury.
    Oder so.

8
    Sie war ganz in Grün gewandet – grüner Overall, grüne Schürze – und stand über einen beleibten Leichnam mittleren Alters gebeugt. Auf ihren Handschuhen glänzte Blut.
    Sie hob den Blick. »Richard! Du siehst zum Fürchten aus, du siehst ja aus wie der hier.« Sie deutete auf die Leiche unter ihren Händen, der Brustkorb offen sichtbar. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    Vielleicht hoffte sie, dass er so aussah. Zögernd erwiderte Jury ihr Lächeln, ohne etwas zu sagen.
    Phyllis trat an einen anderen Edelstahltisch, streifte die Handschuhe ab und hob das Tuch von Billy Maples’ Leiche. »Du bist wegen Billy gekommen.«
    Deinetwegen bin ich gekommen. O weh, da steckte er ja in einem schönen Schlamassel! »Was gibt’s denn zu Billy zu sagen?« Das hörte sich kalt an. War das die Ebene, auf der er von nun mit ihr verkehrte? Und Posen einnahm, die sie ihm höchstwahrscheinlich nie abnehmen würde?
    Er sah, wie sie ihn beobachtete, und obwohl nur ein paar Sekunden vergingen, fühlte es sich wie eine Ewigkeit an.
    Sie wiederholte den Namen: »Billy«. Es war, als müsste sie Jurys Aufmerksamkeit mühsam erringen. »Er ist an der ersten Kugel gestorben, die in den Brustraum eindrang. Dies führte zu einem Lungenkollaps wegen gebrochener Rippen. Die Kugel zerfetzte die Speiseröhre und trat dann wieder aus. Die zweite verursachte weitere innere Schäden an Leber, Knochen und Wirbelsäule. Aber die erste hat ihn getötet. Da gibt’s nichts zu deuteln.«
    »Ich bin nicht mehr mit dem Fall betraut, Phyllis.« Das hatte er in dem Augenblick beschlossen, in dem er sie gesehen hatte – und Aguilar würde er davon in Kenntnis setzen, sobald er sie sah. Außerdem war es eine dumme Bemerkung. Was sollte das denn bewirken? Sie dazu bringen, ihm zu vergeben? Dabei wusste er gar nicht, ob sie überhaupt wusste, dass es etwas zu vergeben gab. Oh, sie wusste es vermutlich, bloß nicht das gesamte Ausmaß. Er schloss die Augen. Dann machte er sie wieder auf.
    Die Arme verschränkt, den Kopf schräg gelegt, musterte sie ihn. Ungläubig ob dessen, was er gerade gesagt hatte und was sie offenbar missverstanden hatte. »Diese verdammten Idioten ! Ein Haufen Neidhammel, lauter frustrierte Egomanen in dem Hotelzimmer dort.« Sie schwenkte die Hand über die erkaltete Leiche. »Und wollen die meinen Billy zurückhaben?«
    Sie sagte es in einem Ton, bei dem Jury spürte, wie ihm die Tränen in die Augenwinkel stiegen.
    »Nein. Billy gehört dir.«
    »Diese DI – wie heißt sie gleich?«
    Jury räusperte sich, war sich nicht sicher, wie der Name ausgesprochen klingen würde. »Aguilar. Von der Polizei in Islington. Leitet die Ermittlungen.«
    Phyllis nickte, und ihre frisch behandschuhte Hand wanderte nun an Billys Brustkorb entlang, um zu untersuchen, was bereits sorgfältig untersucht war. »Ich arbeite jetzt seit fünfzehn Jahren hier und kann es immer noch

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