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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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nehme ich also etwas später ein.« Melrose liebte sein nachmittägliches Teestündchen, besonders jetzt, wo Agatha nicht da war, um es mit ihm zu teilen.

    Der Besuch war von einer Mitarbeiterin des National Trust arrangiert worden, die sich für die Unannehmlichkeit überschwänglich entschuldigte. »So etwas wird normalerweise von unseren Mietern übernommen – den Besuchern die Räume im Erdgeschoss zu zeigen –, aber weil Sie dem Trust ja einen Gefallen tun mit Ihrer Zwischenbuchung, können wir nicht erwarten, dass Sie den kompletten Zirkus da veranstalten.« Sie lachte.
    Melrose hielt den Hörer vom Ohr ab und starrte ihn erstaunt an. Kompletter Zirkus? In Lamb House? Also, wirklich!
    »Ich bin Ihnen sehr verbunden, dass die Besucher kommen dürfen, Lord Ardry, sie unterstützen den Trust nämlich großzügig und müssen heute Abend noch nach King’s Lynn zurück, und das ist ihre einzige Gelegenheit –« Sie redete weiter und meinte abschließend: »Sie müssen sich nicht verpflichtet fühlen, auch nur ein Wort zu sagen. Die können einfach nur schauen.«
    Wieder starrte Melrose auf den Hörer. Kein Wort sagen ? War die Frau denn verrückt? Er hatte schließlich Lamb House, wie es so schön hieß, unter seiner Obhut, als Verwalter für Henry James höchstpersönlich und viel von des Meisters festem und beweglichem Eigentum zu hüten und zu beschützen.
    Kein Wort sagen? Schon allein bei dem Gedanken begann er, die Lippen zum verächtlichen Blubbergeräusch zu verziehen. Selbstverständlich würde er was sagen!

    Und hier standen sie auch schon vor der Tür von Lamb House. Melrose war von der Mitarbeiterin des Trust gesagt worden, es handele sich um ein Dreiergrüppchen, ein Ehepaar mit Tochter. Das Ehepaar erschien pünktlich an der Tür, zusammen mit der Tochter, die leider eine griesgrämige Miene machte und – was schlimmer war – ein Kind von erst sieben, möglicherweise acht Jahren war. Warum hatten die beiden bloß das Mädchen zur Besichtigung von Lamb House mitgebracht? Offensichtlich weil sie es nirgendwo sonst abstellen konnten, und hier war sie nun, die Kleine.
    In den Büchern von Henry James kamen, abgesehen von dem berühmten Duo in Die Drehung der Schraube , wenig Kinder vor, und selbst dort wirkten sie auf den Leser so dermaßen abnorm schlau, dass sie einem wie die etwas verkümmerte Ausgabe der Erwachsenen erschienen. Henry James fand Kinder anscheinend nicht nützlich, was kein Wunder war. Dieses Exemplar hier mit seinem rundum rasiermesserscharf geschnittenen Bubikopffrisur leckte an einem Lutscher in wirbeligen, neongrellen Farben. Das Kind schien diese Unternehmung – die Häuser fremder Leute zu begutachten – als Foltermittel zu betrachten, damit es sich auf dem Rückweg nach King’s Lynn auch ordentlich benahm. An der Art, wie sie Melrose über ihren schwindelerregend gefärbten Lolli hinweg betrachtete, war offensichtlich, dass die Idee nicht funktionieren würde.
    Er lächelte verkniffen. »Es tut mir ja so furchtbar leid, aber ich glaube, es ist keine gute Idee, hier mit dem Lutscher zwischen den vielen Büchern und Porträts und so weiter herumzulaufen.«
    Die Mutter ließ diesen Einwand aber nicht gelten. »Machen Sie sich wegen Minnie mal keine Sorgen. Minnie ist ein vorsichtiges Mädchen. Wir haben ihr alles erklärt.«
    Der Vater, Mr. Babcock, guckte bloß grimmig, als sei er nicht recht überzeugt, dass dieser Besuch unter einem guten Stern stand.
    Mrs. Babcock blickte sich in der Eingangshalle um und bezeichnete sie als recht geschmackvoll, recht behaglich. Melrose streckte den Arm aus, um sie in den kleinen Salon zur Rechten zu treiben, und fing an, ihnen die diversen Fotos, Illustrationen und Karikaturen an der Wand zu erläutern. Während er dies tat, behielt er Minnie unablässig im Auge, die ihm aber schon durchs Netz geschlüpft war und sich auf eigene Faust auf Erkundungstour gemacht hatte. Sie hing, ebenso wie ihr Lolli, über dem offen auf dem Schreibtisch liegenden Journal, blätterte eine Seite um, spähte näher hin, blätterte wieder um, wobei der Lolli die Seiten immer um Haaresbreite verfehlte.
    »Kind!«, sagte Melrose in bester, altväterlicher Manier. »Ich fürchte, ich muss dich bitten, nicht mit dem Journal zu hantieren. Es ist von hohem Wert.«
    »Ach, Minnie macht schon nichts, sie ist ja immer so vorsichtig, stimmt’s, Minnie?«
    Das war so frei erfunden, dass sogar Minnie es wusste. Der Blick, mit dem sie Melrose bedachte, war weniger

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