Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
erste Frau. Jedenfalls erzählte ihm die Großmutter andauernd von ihr, also, von ihrer eigenen Tochter Mary. Redete und redete und machte ihm dadurch natürlich die Stiefmutter madig. Trotzdem – ich nehme mal an, mit der Stiefmutter ist es nicht allzu weit her. Mrs. Ames – die Oma – hat ihn mit Geld überhäuft, und das hat er selber dann genauso rausgeschmissen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das darf man einfach nicht machen mit so einem Jungen.«
In Anbetracht der Tatsache, dass Melrose so ziemlich im gleichen Geldrausschmeißboot saß, enthielt er sich wohlweislich jeden Kommentars. Er selbst war aber doch ganz gut geraten, oder etwa nicht?
»Und was ist mit seinem Vater?«
»Mit Mr. Roderick? Ach, der ist ganz in Ordnung. Oder wär’s jedenfalls, wenn er nicht mit diesem Frauenzimmer verheiratet wäre. Wundert mich ja, dass Sie so ungerupft wieder zurück sind.«
Melrose staunte. Er hätte nie gedacht, dass Mrs. Jessup das Ehepaar Maples so durchschaute.
»Na jedenfalls waren Sie dort«, fuhr sie fort. »Machen Sie mir jetzt bloß nicht weis, die hätte sich nicht an Sie rangeschmissen. Vamps, so hat man solche früher geheißen.« Sie schnitt den überstehenden Teig vom Rand des zweiten Kuchens ab.
Ohne dieses Urteil zu bestätigen, sagte Melrose: »Ist sie bei Billy denn zudringlich geworden?«
»Das glaube ich ganz sicher. Billy sah doch so gut aus. Zehn, fünfzehn Jahre jünger, aber das tut für die Olivias dieser Welt ja nichts zur Sache.«
Melrose lächelte. »Was ist mit seiner Mutter passiert?«
»Bootsunfall. Sie ist ertrunken, da war sie gerade mal dreißig. Na ja, ich sag immer, jeder kriegt das, was er verdient.«
Diese Äußerung fand Melrose nun doch etwas seltsam. »Mochten Sie Billy Maples denn gut leiden?«
Sie antwortete nicht sofort, und Melrose fragte sich, was es da zu überlegen gab.
»Ja, kann man schon sagen. Wir sind uns ja nicht so oft über den Weg gelaufen, außer zu den Mahlzeiten und Teestündchen. Mr. Brunner, der hat sich hauptsächlich um alles andere gekümmert.«
»Scheint ein recht netter Kerl zu sein.«
»Bloß dass es ein Deutscher ist.« Mit einer glatten Bewegung der Hand, die das Messer hielt, trennte sie den überflüssigen Teig vom Kuchenrand ab.
Melrose lachte. »Sie kämpfen den Krieg also immer noch, Mrs. Jessup?«
Als sie nicht antwortete, nahm er an, dass es sich um einen sehr wunden Punkt handelte und er aufhören sollte. Außerdem wollte er nicht, dass sie Verdacht schöpfte, wieso Lord Ardry hier bei ihr in der Küche herumlungerte und zerbröselte Törtchen aufsammelte. Er seufzte. »Es war ein langer Tag. Ich glaube, es wird mir großes Vergnügen bereiten, den National Trust davon in Kenntnis zu setzen, wie sich der Besuch der Babcocks abgespielt hat.«
Da fiel ihm etwas ein. »Die abscheuliche Göre hatte doch einen Lutscher dabei, als sie hereinkam. Ich dachte, sie hätte ihn mit in die Küche gebracht, sehe ihn aber nirgends. Sie etwa?«
Sie stellte den Kuchen ab und schaute um sich. »Nein, Sir, ich kann mich nicht erinnern, den gesehen zu haben.«
»Ich weiß, dass sie ihn nicht dabeihatte, als sie gingen.« Er schaute sich im Raum um, ohne etwas zu sehen, was dem teuflischen Lolli ähnelte, und fragte sich, was Minnie damit angestellt hatte.
»Dann muss ich wohl danach suchen. Wundert mich ja, dass ich ihn nicht in den Haaren habe.«
Mrs. Jessup lachte. »Abscheuliche Göre ist als Ausdruck ja noch geschmeichelt. Die ist imstande und ersäuft junge Katzen.«
Er durchforstete gerade die Bücherregale in der Bibliothek, als das Telefon klingelte. Es war Jury.
Melrose sagte: »Ich fahre morgen nach London. Ich brauche ein bisschen Ruhe und Frieden. Das Leben im Haus eines berühmten Schriftstellers ist nämlich auch nicht nur eitel Sonnenschein.« Mitleid heischend, berichtete er von den Festlichkeiten des Nachmittags.
Ohne allerdings welches zu ernten. »Kinder waren Ihnen doch schon immer ein Gräuel. Entweder Sie streiten mit ihnen, oder Sie spielen den Besserwisser. Funktioniert beides nicht.«
»Streiten? Ich streite doch nicht mit einem Kind.« Er stand im Speisezimmer am Büfett, zog Schubladen auf, spähte hinein.
»Nun, es scheint Ihnen aber schon Spaß zu machen, mit ihnen aneinanderzurappeln.«
»Mit der Göre da wäre es fast so weit gekommen. Ins Kittchen hätten Sie sie gesteckt. Mrs. Jessup war außer sich.« Er erzählte Jury die ganze Geschichte in lebhaften Details.
Jury lachte.
»In Henry James’
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