Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
und drehte ihre Autoschlüssel zwischen den Fingern.
Jury hatte auf dem Revier angerufen, doch dort war sie nicht. Er wollte sie gerade auf dem Handy anrufen, als er sie dort sitzen sah.
Er stieg aus dem Wagen, schloss ab, kam herüber. »Ich wollte schon zum Revier. Das erspart uns Zeit.«
»Glaub ich kaum.« Sie rappelte sich auf und wischte ihren Rock ab.
Auf dem Weg zu Jurys Tür sagte sie: »Ein unheimlich hübsches Mädchen – nein, mehr als hübsch – kam mir auf der Treppe gerade entgegen. Wohnt sie hier?«
Jury steckte den Schlüssel ins Türschloss. »Oben. Oberstes Stockwerk.«
Er machte die Tür auf, und sie trat ein, und was auch immer sie über Jurys hübsches Mädchen noch zu sagen hatte und was auch immer er ihr zu sagen hatte, verlor sich in einem Kuss. Ihre Lippen berührten sich, berührten sich nicht einfach, küssten nicht einfach, sondern hafteten so fest aufeinander, als wollten sie sich beim Ertrinken gegenseitig Auftrieb verschaffen. Sie klammerte die Arme fest um seinen Hals. Er staunte, wie Kleidungsstücke abfallen konnten, wie weggeblasen vom Wind, der durch das Fenster kam.
Dann waren sie auf dem Bett, und was auch immer vorhin so wichtig schien, war vergessen.
»Warum bist du immer so ernst?«, fragte er und strich ihr die dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
»Bin ich das?«
»Normalerweise schon, selbst jetzt in diesem –«
Sie lächelte. »Diesem was?«
Er stützte den Kopf auf und schaute auf sie herunter. »Du wirkst nie richtig glücklich.«
»Ist das hier vielleicht etwas, was einen glücklich macht?« Sie rollte auf ihn herüber. »Es ist so hoffnungslos unkontrollierbar. Wie ein Feuer, das uns noch mal verbrennen wird. Ich will gar nicht daran denken.«
Jury war wütend. Er schob sie weg, stand auf. »Okay, wenn uns das nicht glücklich macht, warum zum Teufel tun wir’s dann? Wenn es nichts weiter ist als irgendeine bösartige Macht, die uns anzieht?« Er hatte seine Boxershorts angezogen, suchte seine Hosen – wie waren die eigentlich im Badezimmer gelandet ? »Zum Teufel damit. Es ist gefährlich. Wir würden in null Komma nichts rausgeschmissen, weil es unsere Arbeit zwangsläufig behindert –«
Er verstummte. Sie wirkte niedergeschlagen. Er setzte sich aufs Bett, sie rückte herüber und legte den Kopf auf seinen Rücken, schlang die Arme um ihn und sagte, es tue ihr so, so leid, sie hätte gedacht, ihm ginge es genauso.
Was auch zutraf. Das war es ja gerade, was ihn wütend machte.
Er legte seine Hand auf ihre beiden, die sie um seine Mitte geklammert hatte. »Nein, mir sollte es leid tun. Pass auf: Zieh dich an. Ich muss dir was sagen.«
Er ging in die Küche, holte zwei Bier aus dem Kühlschrank, machte sie auf. Als er sie ins Wohnzimmer brachte, stieg sie gerade in ihren Rock. Er erzählte ihr von den Gemälden und sagte: »Ich glaube nicht, dass uns das unserem Mörder näher bringt. Was meinst du?« Jury stopfte sein Hemd in die Hose, nahm einen großen Schluck Bier. Sie antwortete nicht, sondern schien schwer konzentriert. »Lu?«
»Sieht sexy aus, die Frau, ja?«
Jury runzelte die Stirn, um nicht zu schmunzeln. »Wer?«
Er nahm an, bei dem Klopfen an seiner Tür handelte es sich um Mrs. Wasserman, die gekommen war, um wieder besorgt Bericht über einen Eindringling zu erstatten.
Er setzte ein lächelndes Gesicht auf und öffnete die Tür.
»Ich habe gehört«, sagte Carol-Anne, indem sie den Kopf hereinstreckte und den Raum einer raschen Sondierung unterzog, »hier hat es wieder mächtig Krach gegeben. Mrs. Wasserman ist zu Tode erschrocken.«
Dem Kopf folgte der Rest ihrer selbst, eines Selbst, dem niemand böse sein konnte, solchermaßen angetan in Zitronengelb und mit einem meringuenartigen Gekräusel am Ausschnitt. Ihr leuchtend rötlich braunes Haar strahlte im Lampenlicht auf, als sie sich auf sein Sofa setzte – besser gesagt, sich darauf niederwarf –, ihre übliche Sitzgelegenheit, wenn es um die Erörterung von Jurys Leben ging. Was Jury machte, ging offensichtlich alle im Haus etwas an – Mrs. Wasserman, Stan Keeler und Stone –, besonders aber Carol-Anne.
»Was für ein Krach denn? Ach, Sie meinen, dass der Tisch da umgefallen ist?« Er deutete auf das betreffende Möbelstück unter dem Fenster, auf dem Zeitschriften, Papiere und eine alte Apothekerlampe mit grünem Schirm standen.
»Dann muss der immer wieder umgefallen sein, denn der Krach hat ja gar nicht mehr aufgehört.« Sie betrachtete angelegentlich ihre
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