Inspektor Jury spielt Katz und Maus
körperlich ertüchtigen.» Es klang, als redete sie über eine Grippe. «Gillian hat sich schon wieder nicht um die Blumen gekümmert.» Schnips. «Du hast mir keine Antwort gegeben. Was hast du angestellt? Nimm die mal bitte, ja?» Sie übergab Carrie einen Strauß grob abgeschnittener welker Lupinen.
«Sie denken immer, ich stelle was an.»
«Tust du ja auch immer. Was ist in der Kiste? O Gott, sag’s mir lieber nicht.» Der Sonnenhut verschwand, tauchte wieder auf, samt ein paar Rosen mit braungeränderten Blütenblättern.
«Eine verwilderte Katze. Ich hab sie im Wald gefunden.»
Regina schielte unter dem Rand ihres gigantischen Hutes hervor. «Ich glaube, du rufst sie wie die Geister aus den unendlichen Tiefen des Tartarus.» Sie hielt die Gartenschere in die Luft. «Das klingt ja richtig poetisch. Ist das wirklich von mir? Einfach herrlich.»
Carrie setzte das Kätzchen schnell ab, damit die Baronin es nicht mehr sah, aber es maunzte. Um sie abzulenken, sagte Carrie: «Soll ich Ihnen ein paar Kippen aus dem Dorf holen?»
«Du sollst keine Gossenausdrücke benutzen. Es bewegt sich.»
«Was bewegt sich?»
«Du weißt schon, was. Ach, was soll’s.» Eine Zigarette hing ihr, zur Abwechslung einmal ohne Elfenbeinspitze, aus dem grell geschminkten Mund. Sie zog ein paar Geldscheine aus ihrer Overalltasche. Wenn sie sich für etwas anzog, dann richtig, und aus unerfindlichen Gründen hatte sie immer Geld dabei. Die Diamantohrringe wirkten allerdings leicht deplaziert. «Hast du den Tanqueray mitgebracht?»
Carrie nickte. «Aber ich habe mich mit Ida gestritten. Weil ich zu jung bin, um welchen zu kaufen.»
«Na und? Das ist doch für dich kein Problem.»
Als Carrie Fleet die Baronin Regina de la Notre zum erstenmal gesehen hatte, trug sie Schuhe mit einer silbernen Schnalle, glänzende weiße Strümpfe, ein graublau-malvenfarben gemustertes Kleid und einen dazu passenden Hut. Die aufgedonnerte Gestalt entstieg vor dem Silbermarkt in der Chaucery Lane in London einem Taxi. Ihr Gesicht war zu alt für die Schuhe, das Kleid und den Hut. Es war bemalt und bepudert, damit es zwanzig Jahre jünger wirkte. Die Baronin «achtete auf sich» (wie sie seit zwei Jahren auch Carrie anriet). Man mußte das Sonnenlicht meiden, sagte sie immer. Es hätte ihr bestimmt nicht geschadet, auch Gin und Zigaretten zu meiden – dann hätte das sechzig Jahre alte Gesicht sich mit dem vierzig Jahre alt wirkenden Körper vielleicht messen können.
Als die Dame vor dem Taxi stand, wurde Carrie neugierig, denn sie führte einen Bedlington-Terrier an einer mit Bergkristallen besetzten Leine, die malvenfarben war wie ihr Kleid. Und da der Terrier graublau war, paßte alles einfach perfekt zusammen; der Hund war wie ein krönendes Accessoire.
Carrie saß auf einem Campingstühlchen und paßte auf einen Windhund und einen Pudel auf. Um den Hals trug sie ein mit Folie bezogenes Pappschild. «Sie können den Hund nicht mit hineinnehmen, Madam.»
Die stattliche Frau starrte sie an. «Wer bist du denn?»
«Ich passe auf Tiere auf. Für ein Pfund die Stunde.»
Die Baronin schaute genauer hin. Der Schäferhund hielt in der Sonne ein Schläfchen, und der Pudel döste unter dem Stuhl, auf dem das Mädchen saß. Beide schienen sich nicht darum zu scheren, daß ihre Herrchen weg waren, und der Terrier zerrte auch an der Leine, als das Mädchen die Hand nach ihm ausstreckte.
Wahrscheinlich eine Hexe, dachte die Baronin. England wimmelt ja von Hexen. «Das ist doch bestimmt verboten.»
«Da kommt ein Polizist. Fragen Sie den doch.»
Der Polizist, Hände auf dem Rücken, kam gemächlich angeschlendert und genoß den herrlichen Frühlingssonnenschein. Am liebsten hätte er sich wohl auch noch auf dem Bürgersteig zusammengerollt und ein Nickerchen gemacht. «Kleine Nebeneinnahme vermutlich. Du willst dein Geld ja sicher im voraus. Oder nimmst du einfach nur die Tiere als Geisel?»
«Nein, Madam», sagte das unerschütterliche Mädchen. «Wie ich gesagt habe, ein Pfund die Stunde.»
Ein elegantes Paar erschien, um den Windhund abzuholen. Der Mann zog zwei Pfundnoten aus der Brieftasche. Das Mädchen nahm sie, öffnete eine kleine Börse und gab ihm fünfzig Pence zurück.
Das schien ihm peinlich zu sein. «Meine Güte, liebes Kind –»
Der Blick des lieben Kindes gefiel der Baronin nicht schlecht. Er erinnerte sie an das Blumenmädchen in My fair Lady , dem man beibrachte, richtig zu sprechen.
«Sie sind ja nur knapp über eine
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