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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Kritik.
    «Ob ich wohl ein bißchen von dem Sherry haben könnte?» fragte Jury. Auf diese Weise konnte er ihr ein wenig Gesellschaft leisten. Er schenkte ihr ein und ging in die Küche, um sich ein zweites Glas zu holen. So blieben ihr ein paar Minuten zum Heulen, ohne von Scotland Yard angestarrt zu werden.
    «Danke.» Sie schneuzte sich die Nase. «Weiß gar nicht, was über mich gekommen ist.»
    «Tun Sie sich keinen Zwang an, Mrs. Broome.» Innerlich mußte er lächeln. Er redete schon wie Wiggins. Er fragte noch einmal nach Gerald Fox und spürte, daß er sich nur wiederholte. Macalvie hätte sie viel gründlicher bearbeitet.
    «Ja, nun ja, er war Sheila völlig ergeben, und sie hat ihn behandelt, als wär er Luft. Tat mir manchmal leid, wirklich. Nur deswegen ist sie immer nach London gefahren – um ihn eifersüchtig zu machen. Oh, ich weiß, daß das wahrscheinlich alles gelogen war, die Männer, mit denen sie angeblich ausgegangen ist. Ein alter Kerl mit ’nem Haufen Geld, den sie immer ihren Sugar Daddy nannte – das war der eine. Sie sagte, er würde in seinem Superschlitten hier vorbeikommen und sie abholen. Wer’s glaubt. Dann war da noch ein Tänzer aus irgendeinem West End-Musical, sicherlich schwul und …»
    Jury unterbrach sie. «Hat sie je einen Namen erwähnt?»
    «Guy Soundso. Das war der Tänzer. Er hatte ein tolles Auto, irgendeine ausländische Marke. Alle von denen hatten tolle Autos, von denen Sheila ganz hin war. Tolle Autos und tolle Männer, das war ihr Stil. Na schön, sie hatte keinen Führerschein. Das heißt, sie haben ihn ihr wegen Trunkenheit am Steuer weggenommen. Wenn Sie mich fragen: Die hatten schon recht. Wird sowieso zuviel getrunken heutzutage.» Traurig blickte sie auf ihr Glas. Vielleicht dachte sie, daß sie selber nicht das beste Vorbild gewesen war, daß sie Sheila vielleicht selber vom geraden und schmalen Pfad der Tugend abgebracht hatte. «Hätt ich wieder geheiratet, war sie vielleicht nicht so wild geworden. Es braucht schon einen Mann, um so einem Mädchen den Kopf zurechtzusetzen. Alle diese Männer hätten sie umworben, sagte sie …»
    Stella Broome drückte sich die Fingerspitzen an die Stirn, als bekäme sie von den Erinnerungen Kopfschmerzen. Schließlich schüttelte sie den Kopf. «Ich weiß nur, daß Sheila ständig von diesen Kerlen geredet hat, wahrscheinlich auch vor Gerald, um ihn eifersüchtig zu machen. Ich weiß nicht mal, ob sie die Wahrheit gesagt hat. Warum sollte denn irgend so ein reicher Mann um Sheila rumscharwenzeln?»
    Jury sah auf das Foto, das neben der Sherryflasche stand. «Sie war sehr hübsch.» Auf eine nuttige Art, fand er. Zuviel Make-up, gebleichtes Haar. Wie hatte Macalvie gesagt – «wasserstoffblond»? Jury runzelte die Stirn. «Sie haben von einem älteren Mann gesprochen. Was hat sie von ihm erzählt?»
    «Von ihm? Ich weiß nicht mehr genau. Wenn sie damit anfing, hab ich manchmal einfach abgeschaltet. All diese Männer, die sie angeblich am Gängelband hatte.» Ihre Stirn furchte sich vor lauter Anstrengung, und sie hörte abrupt auf zu schaukeln. «Dieser Lkw-Fahrer, der sie mitgenommen hat. Den haben sie gehen lassen.» Stella Broome drückte das Taschentuch wieder unter die Nase und zitterte.
    «Eine Kellnerin vom Little Chef hat sie aus dem Führerhaus aussteigen und den Sattelschlepper wegfahren sehen. Divisional Commander Macalvie war froh, daß der nichts damit zu tun hatte.»
    «Nun ja, es ist vorbei. Ich weiß nicht, warum die Polizei das jetzt alles wieder aufrührt. Irgendein Wahnsinniger hat sie mitgenommen. Irgend so ein Wahnsinniger.»
    «Ja, das ist durchaus möglich. Aber ich will Ihnen sagen, warum wir nicht lockerlassen, Mrs. Broome. In London wurde eine Frau getötet, und zwar auf die gleiche Weise wie Ihre Tochter, mit ihrem eigenen Schal.»
    Abrupt hörte sie auf zu schaukeln. «Meine Güte, das ist ja schrecklich. Glauben Sie, daß es der gleiche war?»
    «Wegen der Methode wäre das schon denkbar.»
    «Aber dann muß es ja so sein, wie ich gesagt habe. Ein Verrückter.»
    «Hat Ihre Tochter je einen gewissen David erwähnt?»
    «Nicht daß ich wüßte.» Sie hatte noch ein- oder zweimal zu tief in die Sherryflasche geguckt. Inzwischen war sie bei ihrem vierten oder fünften. Die Worte klangen undeutlich, als sie sagte: «Glaube nicht, daß sie den Namen jemals erwähnt hat.» Stella schien die Tapete über Jurys Schulter zu studieren, machte vielleicht gerade einen imaginären Spaziergang durch

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