Instrumentalität der Menschheit
und fragte: »Nun, Gordon, wenn sie behaupteten, nicht darüber reden zu können, wie kannst du es dann?«
»Betrunken, Freund, betrunken«, erklärte mein Cousin. »Wie lange, glaubst du, habe ich gebraucht, um mich soweit zu bringen? Nie wieder werde ich davon erzählen – niemals wieder. Wie dem auch sei, du bist mein Cousin, du zählst nicht. Und ich habe Nancy versprochen, mit niemandem darüber zu sprechen.«
»Wer ist Nancy?« erkundigte ich mich.
»Nancy ist die Hauptsache. Um Nancy dreht sich die ganze Geschichte. Von ihr wollten mir diese armen alten Tölpel damals in diesem Büro erzählen. Sie wußten es nicht. Der eine von ihnen, er kannte Nancy; der andere nicht.«
»Ist Nancy eine wirkliche Person?«
Danach erzählte er mir den Rest der Geschichte.
Die Unterhaltung verlief rauh. Sie war deutlich, heftig, einfach, direkt. Die Alternativen waren offenkundig. Es war vollkommen klar, daß Wallenstein alles daransetzte, daß Greene lebend zurückkehrte. Es entsprach der Politik der Raumfahrtbehörde, eher einen Mann als lebenden Versager zurückzuholen, als aus ihm einen toten Helden zu machen. Piloten waren dünn gesät. Zudem würde es die Moral untergraben, wenn die Männer überzeugt waren, in selbstmörderische Einsätze geschickt zu werden.
Das Ganze war eine psychologische Angelegenheit, und als Greene das Zimmer verließ, war er verwirrter als zuvor.
Sie erklärten ihm, beide auf ihre eigene Art – der General schien glücklich, der alte Lieutenant unglücklich zu sein –, daß dies eine ernste Sache war. Dem grimmigen alten General bereitete es Vergnügen, ihm davon zu erzählen. Der junge Lieutenant empfand Mitleid für ihn.
Greene fragte sich, wieso er dem General Mitleid entgegenbrachte und dem unglücklichen alten Lieutenant gegenüber so gleichgültig blieb. An sich hätten seine Sympathien genau entgegengesetzt verteilt sein müssen.
Dreitausend Millionen Kilometer weiter, vier Monate später, vier Monate, die wie vier Lebensalter erschienen, entdeckte Greene, wovon sie gesprochen hatten. Es war eine alte psychologische Erkenntnis, daß die Menschen starben, wenn man sie völlig allein ließ. Die Schiffe waren so konstruiert, daß sie das verhinderten. Auf jedem Schiff gab es zwei Mann Besatzung. Jedes Schiff hatte zahllose Lesebänder und sogar völlig überflüssige Tiere an Bord – in diesem Fall war es ein Hamsterpärchen. Natürlich waren sie sterilisiert worden, um dem Problem des Nachwuchses aus dem Weg zu gehen, aber nichtsdestotrotz bildeten sie eine kleine Insel glücklichen Lebens in der Leere.
Die Erde lag weit, weit hinter ihnen.
Dann starb der Copilot.
Alle Gefahren wurden für Greene Wirklichkeit.
Plötzlich wußte Greene, worüber sie gesprochen hatten.
Die Hamster waren seine einzige Hoffnung. Er schob sein Gesicht dicht an ihren Käfig und sprach zu ihnen. Er schrieb ihnen Launen zu. Er versuchte, so mit ihnen umzugehen, als handelte es sich bei ihnen um Menschen.
Als befände er sich noch immer in der Gesellschaft von Menschen und nicht dort draußen in der schrecklichen Stille, von der ihn nur die dünne Metallhülle trennte. Nichts konnte er tun, nur wie ein eingesperrtes Tier zwischen Maschinen herumstreifen, die er nie verstehen würde.
Zeit verlor ihre Bedeutung. Er wußte, daß er verrückt war und daß er durch seine Ausbildung die partielle Verrücktheit überleben konnte. Er erkannte sogar, daß seine instabile Persönlichkeit, von der er befürchtet hatte, daß sie nicht den Anforderungen der Raumfahrtbehörde genügte, auf der Angst vor einer derartigen Situation gegründet war.
Seine Gedanken kehrten immer wieder zu Nancy und dem Sokta- Virus zurück.
Was hatten sie noch gesagt?
Sie hatten ihm erklärt, daß er Nancy herbeirufen konnte, wer auch immer Nancy sein mochte. Nancy war keine scherzhafte Bezeichnung für den Virus. Und der Virus funktionierte immer. Er mußte nur an eine bestimmte Stelle treten, den entsprechenden Knopf an der Wand einmal drücken, und er würde seinen Auftrag nicht erfüllen, aber glücklich und lebendig wieder nach Hause zurückkehren.
Er verstand es nicht. Warum ließ man ihm diese Wahl?
Dreitausend Jahre schienen vergangen zu sein, als er seine letzte Nachricht an die Raumfahrtbehörde abschickte. Er wußte nicht, was geschehen würde. Offensichtlich lebte der alte Lieutenant – Vonderleyen oder wie er auch heißen mochte – noch immer. Auch der alte General lebte noch. Der General hatte seinen Flug
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