Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
Vom Netzwerk:
unglücklich. Er war so selig, sie bei sich zu haben.
    »Wie meinst du das?« fragte er. »Hat dich der Sokta- Virus erschaffen? Bin ich verrückt? Ist das nur eine Halluzination?«
    Nancy schüttelte den Kopf, und ihre hübschen Locken wirbelten durcheinander.
    »Das ist es nicht. Ich bin einfach alle Mädchen, die du jemals begehrt hast. Ich bin die Illusion, nach der du dich immer gesehnt hast, aber ich bin du, weil ich den Tiefen deines Unterbewußtseins entstamme. Ich bin all das, was dir in deinem Leben noch nicht begegnet ist. Alles, dem du dich nicht zu stellen gewagt hast. Hier bin ich, und ich werde bleiben. Und solange wir hier sind, werden wir gut miteinander auskommen.«
     
    An dieser Stelle begann mein Cousin zu weinen. Er griff nach seinem Glas und stürzte den schweren Dago-Rotwein hinunter. Für eine Weile schluchzte er. Er stützte sich dann mit den Ellbogen auf den Tisch, blickte zu mir auf und sagte: »Es ist schon sehr, sehr lange her. Es ist schrecklich lange her, und dennoch weiß ich noch genau, was sie zu mir gesagt hat. Und jetzt verstehe ich auch, warum der alte Lieutenant damals erklärt hat, man könne nicht darüber sprechen. Ein Mann muß schon fürchterlich betrunken sein, um von einem Mädchen zu erzählen, von einem guten, einem schönen Mädchen, das er gehabt und wieder verloren hat, meinst du nicht auch?«
    »Das stimmt«, sagte ich mitfühlend und nickte.
     
    Nancy veränderte umgehend das Schiff. Sie entfernte die Hamster. Sie änderte die Dekorationen. Sie überprüfte die Aufzeichnungen. Die Arbeit ging schneller voran als je zuvor.
    Aber das Heim, das sie für sich schufen, ah, das war seltsam. Es roch nach Gebackenem und nach Wind, und manchmal konnte er den Regen hören, obwohl dreitausendzweihundert Millionen Kilometer sie von dem nächsten Regen trennten und nur die kalte Stille das kalte, eisige Metall der Schiffswandung berührte.
    Sie lebten zusammen. Es dauerte nicht lange, bis sie sich vollkommen aneinander gewöhnt hatten.
    Er war als Giordano Verdi geboren worden. Er besaß seine Grenzen.
    Und dann kam für sie die Zeit, um sich noch enger zu verbinden als zwei Verliebte.
    »So kann es nicht weitergehen, Liebling«, wandte er sich an sie. »Das ist nicht richtig, auch nicht hier draußen im Weltraum und selbst dann nicht, wenn du nicht wirklich bist. Doch für mich bist du wirklich. Willst du mich heiraten?«
    Ihre Augen blitzten, und ihre unvergleichlichen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, wie es nur sie zustande bringen konnte. »Natürlich«, sagte sie.
    Sie umarmte ihn. Er glitt mit seinen Fingern über ihre Schulterknochen. Er fühlte ihre Rippen. Er fühlte ihr Haar an seinen Wangen kitzeln. Sie war wirklich. Sie war wirklicher als das Leben selbst, auch wenn irgendein Narr behauptet hatte, dies sei die Wirkung des Virus und Nancy existiere gar nicht. Wenn das nicht Nancy war, was war es dann, fragte er sich.
    Er ließ sie los und las voller Liebe und Glückseligkeit den entsprechenden Absatz aus dem Gebetbuch vor. Er bat sie, die Antworten zu geben. »Ich nehme an, ich bin der Kapitän«, sagte er, »und ich nehme an, daß ich mich und dich miteinander verheiratet habe, nicht wahr, Nancy?«
    Die Ehe verlief gut. Das Schiff folgte einem Kurs, der dem eines Kometen glich. Es flog weit hinaus. So weit, daß die Sonne zu einem fernen, winzigen Punkt wurde. Die elektromagnetischen Störungen innerhalb des Sonnensystems beeinflußten nun nicht mehr die Instrumente.
    Eines Tages kam Nancy zu ihm und erklärte: »Ich vermute, du weißt, warum du nun ein Versager bist.«
    »Nein«, sagte er.
    Ernst sah sie ihn an.
    »Ich denke mit deinem Gehirn. Ich lebe in deinem Körper. Wenn du auf diesem Schiff stirbst, werde auch ich sterben. Solange du lebst, lebe auch ich. Ist das nicht seltsam?«
    »Ja, seltsam«, nickte er, und der alte, neue Schmerz erfüllte sein Herz.
    »Und dennoch kann ich dir etwas verraten, was ich durch den Teil deines Bewußtseins erfahren habe, den ich benutze. Ich weiß, daß ich bin. Erkennst du nicht, was geschieht? All deine Vorstellungskraft verwendest du darauf, mich zu erschaffen. All deine Gedanken gelten mir. Ich finde das schön, wie ich es schön finde, daß du mich liebst, aber du kümmerst dich nicht mehr um deinen Auftrag und nicht mehr um die Raumfahrtbehörde. Du erledigst nur das Nötigste, mehr nicht. Bin ich das wert?«
    »Natürlich bist du das wert, Liebling. Du bist alles, was ein Mann von der Liebe, von einer Frau und

Weitere Kostenlose Bücher