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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Gesicht verfügte über eine Stimme. »Wach auf«, sagte es, »wach auf. Es hat keinen Zweck, sich jetzt noch dagegen zu sträuben. Du brauchst so schnell wie möglich Bewegung.«
    Sie spuckte den Trinkhalm aus und keuchte: »Wer bist du?«
    »Trece«, erklärte er, »und das dahinten ist Talatashar. Wir sind seit zwei Monaten wach und leiten den Einsatz der Roboter. Wir brauchen deine Hilfe.«
    »Hilfe«, murmelte sie, »meine Hilfe?«
    Treces Gesicht legte sich in Falten und Runzeln, während er auf köstliche Weise lächelte. »Nun, wir haben entschieden, daß wir dich benötigen. Wir brauchen wirklich einen dritten Verstand, um die Roboter zu kontrollieren. Und nebenbei bemerkt, wir sind einsam. Talatashar und ich sind füreinander keine sehr unterhaltsame Gesellschaft. Wir haben die Liste der Reservemannschaft durchgesehen und uns entschlossen, dich zu wecken.« Freundlich reichte er ihr die Hand.
    Als sie sich hinsetzte, erblickte sie den anderen Mann, Talatashar. Sofort fuhr sie zurück; nie zuvor hatte sie jemanden gesehen, der so häßlich war. Sein Haar war grau und borstig. Kleine Schweinsaugen blickten aus Höhlen hervor, die von Fettpolstern umrahmt waren. Seine Wangen hingen in monströsen Kinnbacken zu beiden Seiten hinunter. Und zu allem Überfluß war sein Gesicht schief. Eine Hälfte wirkte glatt, aber die andere war verzerrt von endlosen Krämpfen, als leide er unter Schmerzen. Sie konnte nicht verhindern, daß sie die Hand vor den Mund schlug. Und den Handrücken gegen die Lippen gepreßt, sprach sie.
    »Ich dachte – ich dachte, daß jeder hier auf dem Schiff hübsch sein sollte.«
    Die eine Hälfte von Talatashars Gesicht lächelte, während die andere Hälfte den Ausdruck gefrorenen Schmerzes beibehielt.
    »Das waren wir«, grollte seine Stimme, und es war keine unangenehme Stimme, »das waren wir alle. Einige von uns verderben immer durch das Frosten. Es wird eine Weile dauern, bis du dich an mich gewöhnt hast.« Er lachte grimmig. »Auch ich habe eine Weile gebraucht, um mich an mich zu gewöhnen. In den zwei Monaten ist es mir gelungen. Ich freue mich, dich kennenzulernen. Vielleicht wirst du dich nach einiger Zeit ebenfalls freuen, mich kennengelernt zu haben. Was meinst du dazu, eh, Trece?«
    »Was?« fragte Trece, der sie beide mit freundlicher Besorgnis beobachtet hatte.
    »Das Mädchen. Sie ist so taktvoll. Die direkte Diplomatie der sehr Jungen. Ob ich mal hübsch war, fragte sie. Nein, sagte ich. Wie dem auch sei, was ist sie?«
    Trece drehte sich zu ihr herum. »Laß mich dir beim Aufsetzen helfen«, bat er.
    Sie setzte sich auf den Rand der Box.
    Wortlos gab er ihr den Behälter mit der Flüssigkeit und den Trinkhalm, und sie saugte weiter die Brühe in sich hinein. Ihre Augen blickten zu den beiden Männern hinauf wie die Augen eines kleinen Kindes. Sie waren so unschuldig und so besorgt wie die Augen eines Kätzchens, das sich zum ersten Mal Schwierigkeiten ausgesetzt sah.
    »Was bist du?« fragte Trece.
    Für einen Moment löste sie ihre Lippen von dem Trinkhalm. »Ein Mädchen«, antwortete sie.
    Talatashars eine Gesichtshälfte lächelte ein verführerisches Lächeln. Die andere wurde von einem Muskelzucken erschüttert, ohne etwas auszudrücken. »Das sehen wir«, nickte er grimmig.
    »Er meint«, fügte Trece erklärend hinzu, »wofür bist du ausgebildet worden?«
    Erneut senkte sie den Trinkhalm. »Für nichts«, gestand sie.
    Die Männer lachten – beide lachten. Zuerst lachte Trece mit aller Bosheit der Welt. Dann lachte Talatashar, und er war zu jung, um auf eigene Art zu lachen. Auch sein Gelächter war grausam. Etwas Männliches, Mysteriöses, Drohendes und Geheimes war darin verborgen, als ob er alles über die Dinge wüßte, die ein Mädchen nur zum Preis des Schmerzes und der Erniedrigung erfahren konnte. In diesem Moment war er so fremd, wie die Männer immer den Frauen fremd gewesen waren: erfüllt von geheimen Motiven und versteckten Wünschen, angetrieben von klaren, scharfen Gedanken, die keine Frau besaß und auch nicht besitzen wollte. Vielleicht war mehr als nur sein Körper verdorben.
    Veesey hatte in ihrem Leben noch keine Erfahrungen gesammelt, die sie dieses Lachen fürchten lassen konnten, aber die instinktive Reaktion von einer Million Jahren Weiblichkeit brachte sie dazu, das Böse zu ignorieren, sich auf weitere Schwierigkeiten vorzubereiten und für den Moment das Beste zu hoffen. Aus Büchern und Aufzeichnungen wußte sie alles über Sex. Dieses

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