Instrumentalität der Menschheit
häßliche Bemerkungen machte. Nichts, was er im Medizinschrank gefunden hatte, linderte seine Verstümmelung, aber einige der Medikamente betäubten ihn so, daß er lange und tief schlief.
Trece war schon seit langem ihr Geliebter geworden, aber es war eine solch unschuldige Romanze, daß sie ebensogut auf einem Grasteppich, unter Ulmen, am Ufer eines glitzernden irdischen Flusses hätte stattfinden können.
Einmal hatte sie beide kämpfend angetroffen und ausgerufen: »Hört auf! Hört auf! Das könnt ihr nicht!«
Als sie aufhörten, aufeinander einzuschlagen, sagte sie verwundert: »Ich dachte, ihr könntet das nicht. Diese Boxen. Diese Schutzvorrichtungen. Diese Dinge, die sie in uns eingepflanzt haben.«
Und Talatashar erwiderte mit einer Stimme voller unendlicher Häßlichkeit und Endgültigkeit: »Das haben sie gedacht. Ich habe diese Dinger schon vor Monaten aus dem Schiff geworfen. Wollte sie nicht in meiner Nähe haben.«
Die Wirkung auf Trece war dramatisch und so schlimm, als habe er unabsichtlich eines der Uralten Unheimlichen Gebiete betreten. Er stand vollkommen starr da, die Augen weit aufgerissen, und seine Stimme klang furchtsam, als er sprach.
»Also – haben – wir – deshalb – gekämpft!«
»Du spielst auf die Boxen an? Sie sind fort, klar.«
»Aber«, keuchte Trece, »jeder wurde von seiner persönlichen Box beschützt. Wir alle wurden beschützt – vor uns selbst. Gott steh uns allen bei!«
»Was ist Gott?« fragte Talatashar.
»Keine Ahnung. Es ist ein altes Wort. Ich habe es von einem Roboter gehört. Aber was sollen wir jetzt tun? Was wirst du tun?« rief er Talatashar anklagend zu.
»Ich?« sagte Talatashar. »Ich tue nichts. Nichts ist geschehen.« Die unversehrte Hälfte seines Gesichtes verzog sich zu einem unterdrückten Lächeln.
Veesey sah beide an.
Sie verstand sie nicht, aber sie fürchtete sie, diese ungewisse Gefahr.
Talatashar warf ihnen sein häßliches, männliches Gelächter entgegen, aber dieses Mal fiel Trece nicht ein. Mit offenem Mund starrte er den anderen Mann an.
Talatashar gab sich mutig und gleichgültig. »Die Schicht ist um«, sagte er, »und ich mache mich an die Arbeit.«
Veesey nickte und versuchte, ihm gute Nacht zu sagen, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie war verängstigt und neugierig. Und von beiden Dingen war die Neugierde schlimmer. Über dreißigtausend Menschen befanden sich in ihrer Nähe, aber nur diese beiden waren lebendig und gegenwärtig. Sie wußten etwas, was ihr unbekannt war.
Talatashar stellte seine Unbekümmertheit zur Schau, indem er ihr auftrug: »Für die Hauptmahlzeit morgen stell etwas Besonderes zusammen. Vergiß das nicht, Mädchen.«
Er stieg in die Wand.
Als sich Veesey zu Trece herumdrehte, war er es, der in ihre Arme flüchtete.
»Ich habe Angst«, sagte er. »Wir können alles ertragen, dem wir im Weltraum begegnen, aber wir können nicht uns selbst ertragen. Ich beginne zu glauben, daß der Segler sich selbst getötet hat. Sein psychologischer Wächter hat ebenfalls versagt. Und nun sind wir allein mit uns selbst.«
Veesey sah sich unwillkürlich in der Kabine um. »Es ist alles so wie vorher. Nur wir drei und dieser kleine Raum und draußen das Auf-und-Hinaus.«
»Verstehst du denn nicht, Liebling?« Er packte sie bei den Schultern. »Die kleinen Boxen haben uns vor uns selbst beschützt. Und nun sind sie fort. Wir sind hilflos. Hier gibt es nichts mehr, was uns vor uns selbst beschützen kann. Was verletzt den Menschen mehr als der Mensch selbst? Was tötet Menschen so wie der Mensch? Welche Gefahr kann für uns schrecklicher sein als wir selbst?«
Sie versuchte sich loszureißen. »Es ist nicht so schlimm.«
Ohne zu antworten, zog er sie an sich. Er begann an ihrer Kleidung zu zerren. Die Jacke und die Shorts waren, genau wie seine eigene, aus Omnitextil und sehr stabil. Sie stieß ihn zurück, aber sie fürchtete sich nicht im geringsten. Er tat ihr leid, und in diesem Moment war ihre einzige Sorge, daß Talatashar aufwachen und versuchen würde, ihr zu helfen. Das wäre zuviel. Trece zu bezwingen, war nicht schwer.
Sie brachte ihn dazu niederzukauern, und gemeinsam trieben sie in den großen Stuhl.
Sein Gesicht war so tränenüberströmt wie ihr eigenes.
In dieser Nacht liebten sie sich nicht.
Im Flüsterton, unter Seufzern, erzählte er ihr die Geschichte der Alten Zweiundzwanzig. Er erzählte ihr, wie die Menschen zwischen den Sternen herausfielen und die uralten Dinge in den Köpfen
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