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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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daß er mit ihr zu Abend essen würde.
    Er wußte, daß er verrückt war. So verrückt, wie es nur möglich war.
    Er wußte ganz genau, daß es keine Nancy gab und nie gegeben hatte. Er nahm an, daß er den Sokta -Virus hassen mußte für das, was er ihm angetan hatte, doch er haßte ihn nicht.
    Nancy bewirkte in ihm eine ewige Hoffnung, die Hoffnung auf etwas, das man nicht verlieren konnte. Und die Hoffnung auf etwas, das man nicht verlieren kann, ist oftmals besser als eine Realität, der man niemals sicher ist.
    Mehr ist nicht zu sagen. Sie baten ihn, als Zeuge gegen den Einsatz der Sokta -Droge aufzutreten, und er erklärte: »Ich? Ich soll Nancy aufgeben? Seid nicht albern.«
    »Sie hat nie existiert«, bemerkte jemand.
    »Das glaubst du«, entgegnete mein Cousin, Lieutenant Greene.

Bodidharmas Querpfeife
     
    (THE FIFE OF BODIDHARMA)
     
     
    Musik (sagt Konfuzius) erleuchtet den Geist, Anstand erweitert ihn, Melodie macht ihn vollkommen.
    Das Lun Yu, VIII. Buch, Kapitel 8
     
     
1
     
    Es begab sich während der zweiten Ära der Proto-Indischen Harappa-Kultur – oder vielleicht auch ein wenig früher zu Beginn des Eisenzeitalters –, daß ein Goldschmied zufällig auf eine Formel stieß, mit der sich eine magische Querpfeife herstellen ließ. Für ihn bedeutete die Pfeife Tod oder Segen, ein Mittel zur Erlösung oder Verdammnis. Spätere Generationen mochten in der Querpfeife vielleicht eine glückliche, frühzeitige Entdeckung psionischer Kräfte sehen, die durch sonische Schwingungen ausgelöst wurden.
    Wie dem auch sei, sie funktionierte! Lange vor Buddha lernten langhaarige dravidianische Priester sie zu beherrschen.
    Größtenteils aus Gold gegossen und trotz der Sorgfalt, mit der der Goldschmied die Metallegierung gemischt hatte, gab die Querpfeife schrille Töne von sich, doch gleichzeitig produzierte sie auch Ultraschallschwingungen von hoher Frequenz und ausreichender Intensität, um die Gehirnsynapsen zu beeinflussen und die Gefühle der Zuhörer zu verändern.
    Der Goldschmied überlebte sein Instrument nicht lange. Man fand ihn tot auf.
    Die Querpfeife gelangte in den Besitz von Priestern; nach einer kurzen, schrecklichen Weile des Gebrauchs und Mißbrauchs wurde sie in der Gruft eines großen Königs begraben.
     
2
     
    Räuber fanden die Querpfeife, probierten sie aus und starben. Manche starben voller Glückseligkeit, manche voller Haß, andere in einer Raserei aus Furcht und Wahn. Ein mutiger Überlebender, der von den Schrecken der unerklärlichen aufrüttelnden Gefühle und Visionen noch immer zitterte, wickelte die Querpfeife in das Pergament einer heiligen Schriftrolle und brachte sie Bodidharma dem Gesegneten, kurz bevor Bodidharma seine unglaubliche, mühsame Reise von Indien über das Dach der Welt bis hin zum fernen Kathay antrat.
    Bodidharma der Gesegnete, der Mann, der Persien bereist hatte, der alte Weise, überquerte das höchste aller Gebirge in dem Jahr, in dem die Nördliche Wei-Dynastie Chinas ihre Hauptstadt aus dem göttlichen Loyang verlegte. (In anderen Teilen der Welt, wo die Menschen die Zeitrechnung mit der Geburt ihres Herrn Jesus Christus begannen, war dies das Jahr 554 Anno Domini, aber in dem Hochland zwischen Indien und China war die Botschaft des Christentums noch nicht vorgedrungen, und die Worte des Herrn Gautama Buddha galten in den Ohren der Menschen noch immer als das Süßeste.)
    Bodidharma, nur mit einem dünnen Gewand bekleidet, kletterte über die Gletscher. Als Speise trank er Luft und würzte sie mit Gebeten. Kalter Wind pfiff durch seine alte Haut, seine müden Knochen. Seine Heiligkeit diente ihm als Mantel, und er trug in seinem unbesiegbaren Herzen die Überzeugung, daß die reine, unverfälschte Lehre des Herrn Gautama Buddha nach dem Willen der Zeit und des Schicksals selbst von Indien nach China getragen werden mußte.
    Jenseits der Gipfel und Pässe stieg er hinab in die kalte Ödnis der Hochwüsten. Sand schnitt in seine Fußsohlen, aber die Haut blutete nicht, weil ihn Bannsprüche und magische Amulette davor bewahrten.
    Schließlich tauchten Tiere auf. Sie näherten sich in der ganzen Häßlichkeit ihrer Sünden, ihrer Ignoranz und ihrer Schande. Sie waren Bestien und mehr als Bestien – sie beherbergten die Seelen der Gottlosen, dazu verdammt, endlos wiedergeboren zu werden, nun eingeschlossen in niedrigen Wesen wegen ihrer Schlechtigkeit, mit der sie die Lehren der Ewigkeit und der Weisheit verschmäht hatten, obwohl diese doch so klar

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