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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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sie Kleider trug, für die es an Bord des Schiffes keinen Platz gab. Und dennoch zog sie Tag für Tag etwas Neues, Attraktives, Verführerisches an. Er aß Mahlzeiten, von denen er wußte, daß sie nicht auf dem Schiff zubereitet worden sein konnten. Nichts davon störte ihn. Und nun bekümmerte ihn nicht einmal die Vorstellung, Nancy selbst zu verlieren.
    Er fuhr mit den Fingern durch ihr Haar und sagte: »Ich weiß, daß ich verrückt bin, Liebling, und ich weiß, daß du nicht existierst …«
    »Aber ich existiere. Ich bin du. Ich bin ein Teil von Gordon Greene. Ich werde erst sterben, wenn auch du stirbst, denn wenn du heimkehrst, Liebling, werde ich wieder in deinem Unterbewußtsein verschwinden, aber ich werde in deinen Gedanken leben, solange auch du lebst. Du kannst mich nicht verlieren, und ich kann dich nicht verlassen, und du kannst mich nicht vergessen. Und nur über deine Lippen kann ich zu einem anderen Menschen gelangen. Deshalb reden sie darüber. Deshalb ist es so seltsam.«
    »Und deshalb weiß ich, daß ich mich irre«, beharrte Gordon starrköpfig. »Ich liebe dich, und ich weiß, daß du ein Phantom bist, und ich weiß, daß du verschwinden wirst, und ich weiß, daß alles zu Ende gehen wird, und dennoch bedrückt es mich nicht. Ich bin glücklich mit dir. Ich brauche keinen Alkohol. Ich brauche keine Drogen. Ich bin einfach glücklich mit dir.«
    Pflichtbewußt erledigten sie ihre Arbeiten. Sie überprüften die Instrumente, sie katalogisierten die Aufzeichnungen, sie speicherten ein paar törichte Dinge im elektronischen Bordbuch. Sie rösteten Eßkastanien über einem prasselnden Feuer. Das Feuer brannte in einem hübschen Kamin, der nicht existierte. Die Flammen durften nicht flackern, aber sie flackerten. Es gab keine Eßkastanien auf dem Schiff, aber dennoch rösteten und verzehrten sie sie.
    So verlief ihr Leben – voller Zauber, und der Zauber verdrängte Zorn und Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
    Sie waren ein sehr glückliches Paar.
    Selbst die Hamster spürten es. Sie blieben sauber und rundlich. Folgsam nahmen sie ihr Fressen ein. Sie überstanden die Raumkrankheit. Sie beobachteten ihn.
    Er ließ einen Hamster, den mit der braunen Schnauze, aus dem Käfig heraus und in der Kabine frei herumlaufen. Er sagte: »Du bist wirklich ein Geschöpf der Armee. Du armes Ding. Für den Weltraum geboren und hierhin verschlagen.«
    Nur noch einmal kam Nancy auf ihre Zukunft zu sprechen.
    »Weißt du«, bemerkte sie, »wir können keine Kinder bekommen. Die Sokta -Droge erlaubt das nicht. Und vielleicht wirst du eines Tages Kinder haben, aber es muß seltsam sein, wenn du jemand anders heiratest, während ich noch immer in dir bin. Und ich werde da sein.«
    Sie schafften es bis zur Erde. Sie kehrten heim.
    Als er durch die Luke schritt, warf ihm ein barscher, müder Sanitätscolonel einen scharfen Blick zu.
    »Oh«, entfuhr es ihm, »wir dachten uns schon, daß das geschehen ist.«
    »Was, Sir?« fragte ein rundlicher und glücksstrahlender Lieutenant Greene.
    »Sie haben Nancy gerufen«, sagte der Colonel.
    »Ja, Sir. Ich werde sie holen.«
    »Holen Sie sie«, erwiderte der Colonel.
    Greene kehrte in das Schiff zurück und sah sich um. Es gab keine Spur von Nancy. Verblüfft trat er wieder vor die Luke. Er war noch immer nicht besorgt.
    »Colonel«, brummte er, »ich kann sie nicht finden, aber ich bin sicher, daß sie hier irgendwo in der Nähe ist.«
    Der Colonel schenkte ihm ein seltsames, mitfühlendes, müdes Lächeln. »Sie wird immer irgendwo in der Nähe sein, Lieutenant. Sie haben nur das Nötigste getan. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, Leute wie Sie zu entmutigen. Ich nehme an, Ihnen ist klar, daß Sie keine Beförderung zu erwarten haben. Aber man wird Ihnen einen Orden verleihen. Sie sind weiter hinausgeflogen als jemals ein Mensch zuvor. Nebenbei bemerkt: Vonderleyen sagte, er kennt Sie. Er wird dort drüben auf Sie warten. Zunächst aber müssen wir Sie ins Krankenhaus bringen, um sicherzugehen, daß Sie keinen Schock erleiden.«
     
    »Im Krankenhaus«, sagte mein Cousin, »erlitt ich keinen Schock.«
    Er vermißte Nancy nicht einmal. Wie konnte er sie vermissen, wenn sie ihn nicht verlassen hatte? Sie wartete immer auf ihn – hinter der nächsten Ecke, vor der Tür, im Nebenzimmer.
     
    Beim Frühstück wußte er, daß er sie gegen Mittag treffen würde. Beim Mittagessen wußte er, daß sie am Nachmittag kommen würde. Gegen Ende des Nachmittags hatte er keine Zweifel,

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