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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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vielleicht noch irgendwo im Universum widerhallte.
    Ich weiß es nicht. Er erkannte die Wichtigkeit der Frage, vermute ich, denn er sah mir fest und klar in die Augen.
    »Nein, junger Mann, mein Leben ist eintönig gewesen, und es gefällt mir nicht. Ich hoffe, daß niemand ein Leben führen muß, das so ist wie das meine. Aber genug davon. Ich glaube nicht, daß Sie das interessiert, und ich nehme an, daß Sie etwas Unangenehmes auf dem Herzen haben.«
    Mein Begleiter schaltete sich ein.
    »Ja, aber Sie brauchen sich deswegen keine Sorgen zu machen. Und auch Colonel Angerhelm, Ihr Bruder, hätte dagegen nichts einzuwenden, wenn er noch leben würde.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, erklärte der alte Mann. »Mein Bruder ist sehr empfindlich gewesen. Um ehrlich zu sein, mein Bruder hat einmal zu mir gesagt: ›Weißt du, Nils, ich würde sogar aus der Hölle selbst zurückkehren, wenn jemand versucht, sich in meine Angelegenheiten einzumischen.‹ Genauso hat er es gesagt. Ich nehme an, er meinte es auch so. Er war verdammt stolz, und wenn Sie irgend etwas gegen meinen Bruder vorzubringen haben, dann sollten Sie es besser sofort sagen.«
    Mit diesen Worten endete die Plauderei, und wir taten das, was man uns aufgetragen hatte. Wir holten das Band heraus und fädelten es in das transportable Abspielgerät ein, das wir mitgebracht hatten.
    Wir spielten es dem alten Mann vor.
    Ich hatte es schon so oft gehört, daß ich es fast mit meinen Stimmbändern nachahmen konnte. Das Klick, klick und das Brumm, brumm und dann wieder das Klicken und wieder das Brummen und lange Zwischenräume ohne Ton, in denen nur das matte Rauschen zu vernehmen war, das immer auftritt, wenn ein Tonband abgespielt wird, auf dem nichts aufgenommen ist.
    Der alte Herr lauschte, und es schien keine Wirkung auf ihn zu haben, nicht die geringste Wirkung.
    Nicht die geringste Wirkung? Das stimmte nicht.
    Er reagierte. Als das Band durchgelaufen war, sagte er sehr einfach, sehr direkt und sehr kühl: »Spielen Sie es noch einmal ab. Für mich. Vielleicht habe ich mich geirrt.«
    Wir ließen es noch einmal durchlaufen.
    Danach brummte er: »Es ist wirklich seltsam. Ich höre meinen Namen und meine Adresse, und ich weiß nicht, wo ich sie höre, aber ich schwöre bei Gott, meine Herren, daß das die Stimme meines Bruders ist. Es ist die Stimme meines Bruders, die zwischen diesen Klicklauten und Brummtönen erklingt. Ich höre nur ›Nelson Angerhelm, 2322 Ridge Drive, Hopkins, Minnesota‹. Aber ich höre es, meine Herren, und es besteht kein Zweifel, daß dies die Stimme meines Bruders ist, und ich weiß nicht, wo ich sie höre. Ich weiß es wirklich nicht.«
    Wir spielten das Band ein drittes Mal ab.
    Als das Band zur Hälfte durchgelaufen war, warf er die Arme hoch und rief: »Abschalten. Abschalten. Ich kann es nicht ertragen. Abschalten.«
    Wir schalteten ab.
    Er saß in seinem Sessel und atmete schwer. Nach einer Weile sagte er mit seltsam brüchiger Stimme: »Ich brauche einen Whisky. Er steht dort hinten neben der Spüle auf dem Regal. Würden Sie mir bitte ein Glas holen, meine Herren?«
    Der FBI-Agent und ich sahen einander an. Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, sollte sich der Alte vergiften wollen, und so schickte er mich. Ich ging nach hinten. Es war guter Whisky, eine der meistgekauften Marken. Ich goß dem alten Knaben einen Doppelten ein und kehrte mit dem Glas zurück. Vorher trank ich davon einen Schluck. Es schien eine törichte Handlungsweise zu sein, während des Dienstes zu trinken, aber ich konnte nicht riskieren, daß er sich womöglich vergiftete. Nach all den Jahren in der Spionageabwehr der Armee wollte ich im Staatsdienst bleiben und meinen guten Posten bei Mr. Spatz nicht durch einen dummen Zwischenfall verlieren.
    Er leerte das Glas und fragte: »Können Sie auch aufnehmen, während Sie das Ding abspielen?«
    Wir sagten, das sei unmöglich. Daran hatten wir nicht gedacht.
    »Ich glaube schon, daß ich Ihnen erzählen kann, was er sagt. Aber ich weiß nicht, wie oft ich es wiederholen kann, meine Herren. Ich bin ein kranker Mann. Mir geht es nicht gut. Mir ist es nie sehr gut gegangen. Mein Bruder hat sein Leben genossen. Ich nicht. Ich habe nicht viel vom Leben gehabt und nie irgend etwas geleistet, und ich bin nie irgendwohin gereist. Mein Bruder hat alles bekommen. Mein Bruder bekam die Frau, er bekam das Mädchen – er bekam das einzige Mädchen, das ich je begehrt habe, und dann hat er sie nicht

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