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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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grenzwissenschaftliches Phänomen handelt. Wir haben es abgespielt. Dieses Band ist eine Kopie. Wir haben viele derartige Kopien. Wir haben es unseren Leuten vorgespielt. Niemand kann genau sagen, an welcher Stelle er es gehört hat. Wir haben unsere besten Experten damit betraut. Bei einigen dauerte es bis zur dritten Minute. Andere brauchten zwölf Minuten. Wieder andere dreizehneinhalb Minuten. Aber bei allen Versuchen hörten die Teilnehmer dieses ›Nelson Angerhelm, 2322 Ridge Drive, Hopkins, Minnesota‹. Wir haben es auch bei Chinesen ausprobiert.«
    Der russische Zivilist fuhr fort: »Ja, tatsächlich, man hat es auch bei Chinesen ausprobiert, und selbst sie hörten diesen Namen Nelson Angerhelm. Auch wenn sie die Sprache nicht beherrschten, sie hörten ›Nelson Angerhelm‹ und die Adresse. Und die Hausnummer immer auf englisch. Man kann es nicht aufzeichnen. Man vernimmt nur diese Geräusche – und dennoch versteht man die Adresse. Was halten Sie davon?«
    Es stellte sich heraus, daß sie die Wahrheit gesprochen hatten. Als sie fort waren, erzielten wir die gleichen Ergebnisse.
    Wir spielten das Band Studenten, Ausländern, Psychiatern, Regierungsangehörigen und Passanten vor. Wir hegten sogar den Gedanken, es über einen Sender auszustrahlen und eine Art Quiz zu veranstalten und Preise für jeden auszusetzen, der es hörte. Allerdings erschien uns das zu unsicher, und wir griffen einen anderen Vorschlag auf und spielten das Band über das Lautsprechersystem der SAC-Basis ab. Die Basis wurde Tag und Nacht bewacht.
    Niemand hatte dort viel Kontakt zur Außenwelt, und es war kein Problem, für eine Woche eine allgemeine Ausgangssperre zu verhängen. Wir ließen das verdammte Band sechsmal laufen, und fast jeder auf der Basis wollte einen Brief an Nelson Angerhelm, 2322 Ridge Drive, Hopkins, Minnesota, schreiben. Sie nannten sich sogar gegenseitig Angerhelm und fragten sich, was, zum Teufel, das zu bedeuten habe.
    Natürlich rissen sie Witze darüber, und einige waren eher schmutzig zu nennen. Das half uns auch nicht weiter.
    Das Ärgerlichste war, daß wir trotz all unserer Bemühungen nicht feststellen konnten, an welcher Stelle die unterschwellige Übertragung des Namens und der Adresse begann.
    Sie war unterbewußter Natur, in Ordnung. Das ist kein großes Problem. Jeder gute Psychologe kann akustische oder visuelle Botschaften übermitteln, ohne daß die Testperson zu sagen weiß, wann sie sie empfangen hat. Man muß sie nur kurz aufblitzen lassen oder sie fast unhörbar übertragen, knapp unter der Wahrnehmungsschwelle, aber noch deutlich genug, daß sie vom Unterbewußtsein aufgenommen wird.
    Deshalb wußten wir, womit wir es zu tun hatten. Wir wußten aber nicht, was die Russen damit trieben, wie sie darangekommen waren und warum sie sich so darüber aufregten.
    Schließlich fand wegen dieser Sache im Weißen Haus eine Konferenz statt. Diese Konferenz, an der mein Chef, Mr. Spatz, als Berichterstatter und Beobachter teilnahm, um die Interessen des Finanzministers und der amerikanischen Steuerzahler zu vertreten, dauerte nur kurz.
    Alle Wege führten zu Nelson Angerhelm. Nelson Angerhelm wurde bereits vom halben FBI und einem großen Teil der in jenem Distrikt stationierten Armeeeinheiten bewacht. Jedes Zimmer in seinem Haus wurde abgehört. Die Mikrofone waren empfindlich genug, um seinen Herzschlag aufzunehmen. Die Sicherheitsvorkehrungen, die wir wegen dieses Mannes getroffen hatten, waren denen für Fort Knox ebenbürtig.
    Angerhelm wußte, daß etwas Merkwürdiges vor sich ging, aber er wußte nicht, was, und er wußte nicht, wer dafür verantwortlich war.
    Monate später gestand er jemandem, daß er seinen Bruder verdächtigte, irgendeine Betrügerei oder sonst ein Verbrechen begangen zu haben, und daß wohl die ganze Nachbarschaft durchsucht würde. Er erkannte nicht, daß er zu dem größten amerikanischen Geheimprojekt seit der Entwicklung der Atombombe geworden war.
    Schließlich schaltete sich der Präsident persönlich ein. Er ließ sich den Fall vortragen. Der Außenminister versicherte, daß Chruschtschow die Angelegenheit gewiß nicht für einen Scherz gehalten hätte, wenn die Russen mehr darüber wüßten.
    Wir hatten es sogar mit Russen versucht – natürlich mit Russen, die auf unserer Seite standen. Und sie hörten nicht mehr als alle anderen. Jeder hörte denselben verdammten Satz: »Nelson Angerhelm, 2322 Ridge Drive, Hopkins, Minnesota.«
    Aber das brachte uns auch nicht

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