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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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hing.
    Juli bemerkte keinen Unterschied zwischen diesem Teil der Mauer und allen anderen, aber der Bär schob den Schlüssel in eine Scharte, und ein Teil der Barriere glitt in die Höhe. Die drei schritten durch die Öffnung, und lautlos schloß sich das Mauerstück hinter ihnen.
    Der Bär trieb sie durch staubige Straßen. Juli sah zahlreiche Menschen, aber die meisten machten auf sie einen uninteressierten, asketischen, gleichgültigen Eindruck. Sie erinnerten nur wenig an die lebhaften Preußen ihrer Zeit.
    Schließlich gelangten sie an die Tür eines großen Gebäudes, das alt und eindrucksvoll aussah. Neben der Tür befand sich eine Inschrift. Der Bär scheuchte sie durch den Eingang.
    Oh, bitte, lieber Bär, darf ich stehenbleiben und sie lesen?
    Sag einfach Bär zu mir. Und – ja, natürlich darfst du. Vielleicht kann es dir helfen, einige von den Dingen zu verstehen, die du heute lernen wirst.
    Die Inschrift war in Deutsch und in Form eines Gedichtes gehalten. Sie schien schon vor Jahrhunderten angebracht worden zu sein (und dem war auch so, obwohl Juli dies zu dieser Zeit noch nicht wissen konnte).
    Herkie sah auf. »Oh, die erste …«
    »Still«, unterbrach der Bär.
    Leise begann Juli das Gedicht zu lesen.
     
    Jugend
    Verblaßt, verblaßt, vergeht,
    Fließt dahin
    Wie Lebensblut aus deinen Adern …
    Wenig verbleibt.
    Das herrliche Gesicht
    Verfällt,
    Wird ersetzt
    Durch eines, das Spiegel zu Tränen rührt.
    Die Jahre
    Vergehen.
    Oh, Jugend,
    Verweilt nur kurz!
    Lächelt
    Über uns
    Unglückliche,
    Die dich
    Verehren …
     
    »Ich verstehe es nicht«, sagte Juli.
    »Du wirst es verstehen«, versicherte der Bär. »So traurig es auch ist, du wirst es verstehen.«
     
    Ein Würdenträger in einer hellgrünen, goldbesetzten Robe erschien.
    »Wir hatten lange Zeit nicht die Ehre Ihres Besuches«, wandte er sich respektvoll an den Bären.
    »Ich war sehr beschäftigt«, erklärte der Bär. »Aber wie geht es ihr?«
    Verblüfft erkannte Juli, daß die Unterhaltung nicht auf telepathischem Wege, sondern in Deutsch geführt wurde. Wieso können all diese Leute Deutsch sprechen? Unbeabsichtigt strahlte sie ihre Gedanken in alle Richtungen.
    Pst! ertönte gleichzeitig die Mahnung Herkies und des Bären.
    Juli empfand Reue. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, ob ich jemals diesen Trick beherrschen werde.«
    Herkie zeigte Mitgefühl. »Es ist ein Trick«, bestätigte sie, »aber du kannst es jetzt schon besser als kurz nach deiner Ankunft. Du mußt nur vorsichtig sein. Es geht nicht, daß du deine Gedanken nach allen Seiten hin sendest.«
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, brummte der Bär und wandte sich an den grünuniformierten Würdenträger. »Ist es möglich, eine Audienz zu bekommen? Ich glaube, es ist wichtig.«
    »Sie werden vielleicht ein wenig warten müssen«, erklärte der Würdenträger, »aber ich bin sicher, daß sie Ihnen immer eine Audienz gewähren wird.«
    Den Bären schien dies zufrieden zu stimmen, wie Juli bemerkte.
    Sie nahmen Platz und warteten, und hin und wieder streichelte Herkie tröstend Julis Arm.
     
    Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis der Würdenträger wieder erschien. »Sie erwartet euch«, sagte er.
    Er führte sie durch einen langen Korridor in einen großen Saal, in dem sich ein Podium mit einem Sessel befand. Nicht direkt ein Thron, dachte Juli. Hinter dem Sessel stand ein junger, stattlicher Mann, ein Wahrer Mensch. In dem Sessel saß eine Frau, und sie war alt, so alt, daß es das Fassungsvermögen überstieg; ihre runzligen Hände waren Klauen, aber in dem knochigen, faltigen Gesicht konnte man noch immer einen Hauch der einstigen Schönheit erkennen.
    Julis Verwirrung wuchs. Sie kannte diese Person und kannte sie wiederum auch nicht. Ihr Orientierungssinn, durch die Ereignisse des vergangenen »Tages« bereits in Mitleidenschaft gezogen, löste sich immer mehr auf. Sie griff nach Herkies Hand, als sei sie das einzig vertraute Element in einer Welt, die sie nicht verstehen konnte.
    Die Frau sprach. Ihre Stimme war alt und matt, aber sie sprach Deutsch.
    »Also, Juli, bist du endlich gekommen. Laird hat mir gesagt, daß er dich herunterholt. Ich bin so glücklich, dich zu sehen und zu wissen, daß du gesund bist.«
    Juli zitterte. Sie wußte es, sie wußte es, aber sie konnte es nicht glauben. Zuviel hatte sich verändert, zuviel war geschehen in der kurzen Zeit seit ihrer Rückkehr ins Leben.
    Keuchend, bebend flüsterte sie:

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