Interview mit einem Buchpiraten
Güte, die Kuschelkissen und Dekotassen verkaufen doch andere viel billiger! Thalia will jetzt sogar PCs anbieten. Kommt die gute alte VOBIS-Zeit wieder!?
Der Buchhandel ist tot?
Endgültig. Der Buchhandel ist fast schon wieder 'retro'. Der Tante-Emma-Laden kommt ja auch wieder.
Hat dich das Tempo der Entwicklung überrascht.
Nein, denn der einzelne Buchhändler schleppt riesige Kosten mit sich rum. Stichwort: Personalintensive, überdimensionierte Innenstadtlage. Wie soll jemand, der € 20,00 für ein Buch verlangen muss, gegen unsere Preise - auch € 0,00 sind ein Preis - was ausrichten können. Da kann er sich auf die Hühnerbrust trommeln, wie er will, egal.
Seid ihr Buchpiraten an allem schuld?
Wir wurden benutzt. Nimm mal Google. Bei jedem Bestseller standen wir ganz oben in der Suche. Immer hat Google auf die Objektivität der Suchergebnisse verwiesen. Und nun machen sie einen eigenen Ebookstore auf und - oh Wunder! - sind die Warezlinks mit einem Mal verschwunden. Nein, die Buchpiraten wurden benutzt, um die Buchbude sturmreif zu schießen.
Wehmut?
Nein, absolut nicht. Denn Google zähle ich zu den großen Verlierern. Wirkliches Verständnis, eigentlich Zuneigung zum neuen Medium war nur bei den Buchpiraten und bei Amazon zu finden. Ich bin sicher, so richtige Begeisterung für Ebooks gibt es nirgendwo sonst. Die Neuankömmlinge erwärmen sich so langsam für die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Aber das reicht nicht, um eine neue Welt zu entdecken.
Und Amazon braucht niemand mehr zu fürchten?
Doch. Ab jetzt. Sie haben ihr Ziel erreicht. Aber was kommt danach? Sie sind der Monopolist der Ebooks - schön und gut. Aber ihr Konzept wird 'raub'kopiert werden. Kobo ist so ein Beispiel - ein besserer Reader mit Kobo Glo, zum gleichen Preis, früher verfügbar. Dazu eine offene Plattform. Nimm mal so einen Selfpublisher wie Bookrix.com. Die haben auch ein Konzept, sie sind mit den Ebooks groß geworden und sie machen keine Fehler. Und die Übermacht von Amazon zwingt zu Allianzen. Da kann es in Zukunft durchaus die ein oder andere Überraschung geben!
Reden wir von Fehlern. Gibt es überhaupt einen Fehler, den Amazon bisher gemacht hat?
Ich halte nach wie vor das MOBI-Format für einen großen Fehler. Das nützt ihnen nichts. Und je besser sich die formatoffenen Reader aufstellen, desto mehr Gründe gibt es für den Kunden, sich nicht ausgrenzen zu lassen. Das plattformgebundene Format ist klar die Achillesferse von Amazon. Du darfst auch nicht vergessen, dass Amazon bisher angegriffen hat. Jetzt sind sie da, wo sie sein wollten. Den Platz müssen sie verteidigen . Das ist etwas völlig anderes. Monopolist bleiben ist viel schwerer, als Monopolist werden .
Robin Hood wird Waldhüter
SONNTAG, 14. OKTOBER 2012
Keine Zukunft für die Buchpiraten?
Ich habe nur die Frage gestellt: Wenn ich am Ebook gerichtsfest Eigentum erwerbe und nicht mehr nur eine Lizenz - was ist dann noch illegal? Ich denk mal, die Frage ist berechtigt. Der 'Buchpirat' wird als Verteiler viel an Bedeutung verlieren, wenn die Ebookbesitzer ihre 'Sache' selbst verteilen, verleihen, ja sogar verkaufen dürfen.
Was bleibt von uns?
Schlicht gesagt wird der Buchpirat vom Robin Hood zum Waldhüter. Wir werden Dienstleister. Der Tausch wird zwischen den Nutzern stattfinden. Es war durchaus ernst gemeint, dass Warez (= Raubkopierszene) bei den Ebooks bald Folklore sein wird.
Der Buchpirat als Ebook-Nikolaus!
Im Wesen ist das Ebook ein Freebook - ein 'illegales' Ebook ist ein Widerspruch in sich. Mal zu den Fakten: Nach Schätzungen werden in 2012 fast 1 Millionen Reader verkauft. Bei diesem Kauf spielt sicherlich eine Rolle, dass die Käufer erwarten, dass das Lesen für sie erheblich günstiger wird. Ich denke mal, die wenigsten schaudert es bei dem Gedanken, Ebooks umsonst beziehen zu müssen.
Der Buchpirat als Umsatzbringer?
Das gilt für die Reader, ja. Aber weiter zu den Fakten! Jeder Besitzer eines Readers kauft 6,2 Ebooks. Das ist belegt! Jetzt interpretier ich das mal anders: Jeder Besitzer eines Readers kauft 6,2 Ebooks, bevor er sich so gut auskennt, dass er Ebooks nicht mehr kaufen muss. Es sollen 60% illegale Ebooks - zugegeben von den Befragten - auf den Readern sein. Selbst wenn diese Zahl stimmt, dann kommst du auf eine irrsinnig hohe Zahl an ungekauften Ebooks, die nicht aus illegalen Quellen stammen.
... und die sind alle getauscht?
Es kann sein, dass viele ungekaufte Ebooks in letzter
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