Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
von einer großen Dürre - und wundert sich, dass er dafür keine Belege findet.
    Wie könnte er sie auch finden? Der Wendigo hat seine Völker zu sich geholt und damit seine Macht gemehrt.«
    Zu jeder anderen Zeit hätte Mike wahrscheinlich voller Fas-zination an den Lippen des Alten gehangen. In seiner mome n-tanen Lage jedoch verspürte er nur den unbändigen Drang in sich, so lange in dieses runzlige, von der Wüste und dem Wind gegerbte Gesicht zu schlagen, bis er endlich seine Frage beantwortet bekäme. »Wie weit muss ich weg, um dem Wendigo zu entkommen?«, wiederholte er, jedes einzelne Wort betonend, während ihm gleichzeitig ein dünner Blutfaden vom Auge hinab über die Wange lief.
    Der Schamane seufzte. »Im Süden, Westen und Osten reicht sein Einfluss noch immer bis in das Siedlungsgebiet des Volkes, das die überlebenden Stämme voller Ehrfurcht die Hohokam nennen - Die, die verschwanden. Ihr Reich erstreckte sich vom Colorado Plateau im Osten bis zu der Wüste von Sonora ...«
    »Sonora?« Schmerzhafte, krampfhafte Schauder ließen Mike erbeben. »Deswegen hat uns der Wendigo also in dem Nest Sanora Strongs Truppe auf den Hals gehetzt - dieser verfluchte Bastard! Hätte ich das damals nur geahnt - ich hätte Vollgas geben sollen. Stattdessen ...« Er lachte. Es war ein Laut, der hart und trocken und so verloren wie das Bellen eines verängs-tigten Hundes klang. »So eine verdammte Scheiße! Und ich dachte, es sei ein genialer Gedanke, es Frank und Stefan heimzuzahlen ...«
    »Es war nicht dein Gedanke, es war der des Wendigo«, sagte der Schamane ruhig. »Seine Marionette Strong hat deinen Freund Frank bereits in eurer Heimat mit dem Gedankengut des Wendigo infiziert. Strong war auf der Suche nach jema ndem wie dich, und deswegen hat er deine Freunde ausgewählt und ihnen ein verlockendes Angebot gemacht - das war der einzige Weg, dich hierher zu locken.«
    Die Worte des Schamanen hätten Mike eigentlich schockieren sollen, taten es aber nicht. Im Grunde genommen war ihm all das egal. Er spürte, dass sich der Alte nicht davon abbringen lassen würde, ihm die ganze verrückte Geschichte zu erzählen.
    Und irgendetwas in ihm warnte ihn davor, den Schamanen zu bedrängen und Ungeduld zu zeigen - vielleicht ist das nichts weiter als eine nette kleine Prüfung, weißer Mann, um deine Leidensfähigkeit und deine Geduld zu testen. Und wer weiß, vielleicht schenke ich dir dein jämmerliches Leben, wenn du dich fügst und zuhörst wie ein braver, kleiner Junge.
    »Der Weg zu dir führte über deine Freunde, und damit konnte das Spiel beginnen. Strong und seine Helfer glaubten, die gleiche lächerliche Vorstellung abliefern zu können wie sonst auch. Aber diesmal führte der Wendigo von Anfang an Regie, bediente sich eurer Emotionen, um Groll, Neid und Verbitte-rung zur Explosion zu bringen. Er manipulierte all eure Aktio-nen, verstärkte sie und gaukelte euch etwas vor, jedem Einzelnen.« Mike erinnerte sich an den Schatten, den er mehr als einmal zu sehen geglaubt hatte - im Motel, im Gefängnis, immer dann, wenn das angebliche »Spiel« auszuufern drohte.
    Der Schamane fuhr derweil fort: »Es ist geradezu ein Wunder, dass ihr euch nicht gleich von Anfang an gege nseitig an die Kehle gegangen seid. Aber das hätte den Plänen des Wendigo widersprochen, seinem boshaften Instinkt, alles auf eine Explosion der Zerstörung zulaufen zu lassen, nachdem ihr euch gegenseitig die Maske der Großmut und Freundschaft vom Gesicht gerissen habt.«
    Mike sah eine Momentaufnahme von Stefans Gesicht vor sich, als er im Polizeibüro gesessen hatte, verbittert und bis ins Mark erschüttert und unfähig seinen, Mikes, Blick zu erwidern
    - und dann seine gebrochenen Augen und sein aufgedunsenes Gesicht, als er am Mast der englischen Fregatte aus dem Wasser auftauchte.
    Und Frank? Hatte er im Hotel nicht das Gefühl gehabt, seine Nähe nicht mehr ertragen zu können. War da nicht eine Wand bitterster Vorwürfe zwischen ihnen gewesen - anstelle der alten freundschaftlichen Gefühle, des grundsätzlichen Vertrauens und Einverständnisses mit dem jeweils anderen?
    »Ich sehe, dass du zu verstehen beginnst«, sagte der Schamane leise. »Aus eurem ›Spiel‹ hat der Wendigo Ernst gemacht.
    Illusionen - Stunts, wie ihr sie nennt - sollten dir als Realität verkauft werden: das tote Kind, der Mord an dem Harley-Mann in Moab. Der Wendigo hat sie tatsächlich zur Realität werden lassen, die nur du erkennen konntest. Und so hat er die

Weitere Kostenlose Bücher