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Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Details nicht vollständig mit seinen Erinnerungen übereinstimmten. Erst vor ein paar Tagen hatte er in Moab, in diesem gottverdammten Harley-Shop, ein braunstichiges, verstaubtes Foto entdeckt, das einen Mann auf einer uralten Harley vor einem Hogan zeigte ...
    und dann hatten die Personen auf dem Foto plötzlich angefa ngen, sich zu bewegen. Vor Mikes entsetzten Augen hatte ein fürchterliches Unglück stattgefunden.
    Der Schamane hatte ihn offenbar tatsächlich zum Ursprung dieser verhängnisvollen Geschichte zurückgeführt, an den Ort, an dem alles begonnen hatte und nun alles enden würde. Doch plötzlich begriff Mike den fundamentalen Unterschied zu der Szene auf dem alten Foto. Neben dem Hogan stand diesmal ein hölzernes Gestell, auf dem große Fleischstücke trockneten. Im Hintergrund sah er mehrere Tipis, kegelförmige Wohnzelte, die im Gegensatz zu dem größeren und aufwändig gestalteten Hogan keine zeremonielle Bedeutung hatten und vor denen ein paar kleinere Kinder herumtollten, manche im Lendenschurz, manche nackt.
    Die Kinder beachteten ihn nicht, ebenso wenig wie die beiden Hunde, die selbstvergessen in der heißen Vormittagssonne mit ihnen herumbalgten, als wären sie alle zusammen nichts weiter als ein großes, verspieltes Rudel. Einzig und allein der einsame kleine Junge vor dem Feuer im Inneren des sicherlich stickig heißen Hogans wandte sich Mike zu, fast lässig und mit der leicht unkontrollierten Bewegung, wie sie Schwachsinnigen eigen ist - und blickte ihm ohne jede Überraschung, aber mit einem leicht spöttischen Lächeln entgegen.
    Es war der Fünfjährige, der ihm vor die Maschine gesprungen war, der Junge, den er kurz hinter dem kleinen Touristen- und Informationszentrum in der Nähe des Grand Canyon überfa hren hatte; es war der Junge, dessen Familie Mike seit seiner Ankunft in Phoenix mit dem schwarzen Van verfolgt hatte und der doch gar nicht tot sein konnte, wenn Strongs Version der Geschichte stimmte und der ganze verdammte Motorradunfall nur vorgetäuscht worden war ... Vor allem aber war er das Ebenbild des Kindes, das vor vielen Jahrzehnten von einer uralten Harley erfasst und zu Tode geschleift worden war, von einem Mann, der vielleicht nur fünfzehn oder zwanzig Jahre nach dem Indianermassaker am Wounded Knee eine Reise auf einem Motorrad in Indianergebiet gewagt hatte, wohl ohne zu ahnen, wen er damit wirklich herausforderte ...
    Und plötzlich wusste Mike, was das dumpfe Grollen bedeutete, das er die ganze Zeit über hörte und das sich beständig zu nähern schien.
    Vielleicht war das die Chance, auf die er gewartet hatte. Die Vorstellung, zusammen mit Frank in letzter Sekunde aus dem Hotel zu entkommen, sich in die Sättel ihrer Intruder zu schwingen und in den Sonnenuntergang hineinzufahren, bis sie den Wendigo endgültig hinter sich gelassen hatten. Das war absolut kindisch angesichts des Grauens und der Verwüstung, die das Monster in nur wenigen Augenblicken im Büro des Hotelmanagers angerichtet hatte; nichts und niemand konnte dem Wendigo so beiläufig entkommen.
    Aber möglicherweise konnte Mike ihn nachsichtig stimmen.
    »Manchmal ist er gnädig«, hatte ihm der alte Schamane bei ihrem ersten Zusammentreffen gesagt, und vielleicht hatte er damit ja bereits Mike den Weg weisen wollen für die einzige Möglichkeit, mit der er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.
    Das »eiserne Pferd«, so hatte der Alte das Motorrad genannt, das jetzt gleich herandonnern würde. In seinem Sattel würde ein Vorfahre dieses ekelhaft schmierigen Typs aus dem Harley-Shop sitzen, bei dem sie ein paar Ersatzteile für ihre Intruder hatten kaufen wollen - und im gleichen Moment wurde Mike klar, dass es in Wahrheit der Wendigo gewesen war, der sie in das Motorradgeschäft in Moab gelockt hatte. Er hatte nichts weiter im Sinn gehabt, als seine blutige Rache vorzubereiten; er hatte Mike das braunstichige Foto finden lassen - und, viel schlimmer noch, die indianischen Waffen, mit denen der Harley-Verkäufer noch am gleichen Nachmittag abgeschlachtet und skalpiert worden war. Eine weitere Tat des Wendigo, der damit noch einen Teil des abgekarteten Spiels zwischen Frank, Stefan und Strong hatte Realität werden lassen - zumindest in den Augen Mikes. Offensichtlich hatte er den Enkel des Unglücksfahrers in Moab nur deshalb so lange am Leben gelassen, damit Mike im Spiegel Zeuge seines grausigen Tod werden konnte; ein ewiger Kreislauf von Rache und Qual.
    Und das alles nahm hier und

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