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Invasion der Barbaren: Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus (German Edition)

Invasion der Barbaren: Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus (German Edition)

Titel: Invasion der Barbaren: Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heather
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Homogenität der politischen und kulturellen Strukturen in ganz Europa führte. Das barbarische Europa war nicht mehr barbarisch.
    Die überragende Bedeutung dieser massiven Machtverlagerung manifestiert sich schon darin, dass viele Länder des modernen Europa ihre historischen Wurzeln auf politische Gemeinwesen zurückführen, die irgendwann zwischen Mitte und Ende des 1. Jahrtausends entstanden. Diese Herleitung erscheint manchmal allzu gezwungen, doch kaum eine europäische Nation könnte ihren Gründungsmythos in die Zeit von Christi Geburt oder noch weiter zurück datieren. In einem sehr grundsätzlichen Sinn sind die politischen und kulturellen Transformationen des 1. Jahrtausends tatsächlich die Geburtswehen des modernen Europa, denn dieses Europa ist weniger ein geographisches als vielmehr ein kulturelles, wirtschaftliches und politisches Gebilde. Geographisch gesehen ist es bloß der westliche Teil der großen eurasischen Landmasse. Seine eigentliche historische Identität jedoch verdankt Europa der Entstehung von Gesellschaften, die auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene so intensiv miteinander kommunizierten, dass sich signifikante Gemeinsamkeiten entwickeln konnten. Und dass solche Gemeinsamkeiten überhaupt entstehen konnten, war eine unmittelbare Folge der Transformation des barbarischen Europa im 1. Jahrtausend.
    Aufgrund seiner überragenden Bedeutung für die Entstehung von Nationen und Regionen hat das 1. Jahrtausend Wissenschaftler seit jeher in seinen Bann gezogen. Es kursieren allerlei Versionen über den Ursprung der verschiedenen Nationen, und seit Einführung der allgemeinen Schulpflicht gibt es wohl nur wenige Europäer, die nicht zumindest mit den Grundzügen der Sage vom Entstehen ihrer Nation einigermaßen vertraut sind. Doch genau an diesem Punkt wird es problematisch.
    Bis vor kurzem neigten Forschung und Öffentlichkeit dazu, den Einwanderern unterschiedlicher Art, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten des 1. Jahrtausends auftauchten, eine Hauptrolle zuzuschreiben. Mitte des 1. Jahrtausends zerstörten germanischsprachige Einwanderer das Römische Reich und gründeten eine Reihe von Nachfolgereichen. Ihnen folgten weitere Germanen und vor allem Slawen, deren Aktivitäten dem Nationenpuzzle Europas weitere Teile hinzufügten. Gegen Ende des Jahrtausends traten dann auch noch Einwanderer aus Skandinavien und der osteuropäischen Steppe auf den Plan. Auch wenn zuweilen erbittert über manche Details gestritten wurde, bezweifelte niemand auch nur ansatzweise, dass die Massenmigration von Männern und Frauen, Alten und Jungen bei der Entstehung Europas eine entscheidende Rolle gespielt hat.
    Seit einer Generation jedoch besteht unter Forschern in diesen Fragen kein Konsens mehr, denn es hat sich gezeigt, dass diese Ansätze allzu vereinfachend sind. Bisher gibt es noch keine neue Überblicksdarstellung, aber in einer Vielzahl von Arbeiten wurde die Bedeutung der Migration für die Herausbildung zumindest einiger Vorläufer der heutigen Nationen Europas entscheidend relativiert. So gehen inzwischen viele Historiker davon aus, dass es überhaupt keine massenhafte Migration gab, sondern dass sich immer nur wenige Menschen auf Wanderung begaben. Während man früher von großen sozialen Gruppen ausging, die zielstrebig durch Europa zogen, sind heute viele Experten überzeugt, dass sich hinter dem kulturellen Banner der Wenigen, die tatsächlich auf Wanderung waren, viele andere sammelten und sich dadurch eine neue Gruppenidentität herausbildete. Wichtiger als jede Migration waren für die Neuordnung des barbarischen Europa in den 1000 Jahren seit Christi Geburt jedoch die inneren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandlungsprozesse. Das versuche ich in diesem Buch zu zeigen.
    Invasion der Barbaren möchte die fehlende Überblicksdarstellung zur Entstehung Europas liefern, indem es die positiven Aspekte der revisionistischen Geschichtsschreibung aufnimmt und gleichzeitig deren Fallstricken ausweicht. Wie uns der oben geschilderte Vorfall aus Mähren eindringlich vor Augen führt, spielt die Staatenbildung im bis dahin unentwickelten barbarischen Europa – das Entstehen größerer und kohärenterer politischer Gebilde – in der Geschichte des 1. Jahrtausends n. Chr. eine mindestens ebenso große Rolle wie die Migration. Als in der politischen Landschaft Mittel- und Nordeuropas politische Gebilde wie Mähren entstanden und sich behaupteten, war es

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