Irgendwo da draußen - Kriminalroman
auch dringend notwendig. Denn abgesehen von ein paar kleineren Routineaufträgen, verlief die Geschäftsentwicklung schleppend. Vor gut zwei Monaten hatten Koslowski und ich bei Security Check gekündigt und uns selbstständig gemacht. Hubert Disselbeck, der Bauunternehmer, war unsere große Chance. Sollten wir den Job zu seiner Zufriedenheit abwickeln, würde sich das in seiner Branche herumsprechen. Wenn nicht, blieb uns nur der Trost, dass unsere Fixkosten relativ gering waren.
Die Detektei Wilsberg & Partner residierte nämlich in meiner Vierzimmerwohnung im münsterschen Kreuzviertel. Ich hatte nicht einmal meinen Untermieter Jan vor die Tür setzen müssen, da er sein Betriebswirtschaftsstudium im Sommer erfolgreich beendet hatte. So konnten die wenigen, gleichwohl erforderlichen innenarchitektonischen Maßnahmen sozialverträglich durchgeführt werden. Aus den beiden vorderen Zimmern der Wohnung, die wir durch eine Holzwand im Flur vom hinteren Teil, meinen Privaträumen, abtrennten, machten wir ein Büro und ein Besprechungszimmer, ausgestattet mit zweckmäßigen und schlichten Möbeln. Nicht gerade Sperrmüll, aber nur zwei Preisklassen darüber.
Natürlich hätte ich gern ein Nobelbüro in bester Lage und eine Sekretärin gehabt. Doch die mussten auf bessere Zeiten warten. Vorläufig genügte ein Anrufbeantworter. Außerdem verbrachte ich sowieso die meiste Zeit im Büro. Was sich jetzt hoffentlich ändern würde. Dank Katja Lahrmann-Tiemen, mit Bindestrich.
Als ich sie sah, schraubte ich den virtuellen Kostenvoranschlag sofort um einen vierstelligen Betrag nach oben. Die Perlenkette und das elegante, dunkelblaue Outfit drückten aus, dass Geld nicht zu ihren vorrangigen Problemen zählte.
Unter der Verkleidung steckte eine Frau von Mitte dreißig, mit gefärbter, hellblonder Pagenfrisur und scharfen Gesichtszügen, die Wachsamkeit verrieten. Keine Spinnerin, wie ich befürchtet hatte, sondern ein Typ aus der Abteilung coole Geschäftsfrau.
Ich lotste sie in das Besprechungszimmer und bot ihr einen Kaffee an.
»Nein, danke, ich habe einen nervösen Magen.«
»Etwas anderes vielleicht?«
»Haben Sie Koffeinfreien?«
»So etwas führen wir leider nicht.«
»Dann lieber gar nichts.« Sie musterte skeptisch die Einrichtung.
Ich lächelte. »Es ist noch etwas provisorisch. Wir haben die Räumlichkeiten erst vor zwei Monaten bezogen.«
»Ach, Sie sind neu im Geschäft?« Sie hielt ihre Handtasche fest umklammert, bereit, jederzeit den Rückzug anzutreten.
»Nein, im Gegenteil«, bemühte ich mich, ihr Misstrauen zu zerstreuen. »Mein Partner und ich sind seit Jahren, was sage ich, seit Jahrzehnten im Detektivgewerbe tätig. Zuletzt haben wir bei einem großen Sicherheitsunternehmen gearbeitet. Sie haben es, in aller Bescheidenheit, mit erfahrenen Männern zu tun.«
Sie blieb spröde. »Und jetzt haben Sie sich selbstständig gemacht?«
»Ja. Eine neue Herausforderung. Was ist tödlicher als die tägliche Routine?«
Sie schaute mich direkt an. »Verstehen Sie mich richtig: Ich brauche jemanden, der umsichtig vorgeht. In dieser Geschichte ist vielen Menschen Leid zugefügt worden. Ich möchte nicht, dass noch mehr Gefühle verletzt werden.«
»Ich verstehe«, antwortete ich ernst.
Wir schwiegen. Offensichtlich rang sie noch immer mit ihrer Entscheidung.
»Sie sprachen von einem Todesfall«, begann ich vorsichtig. »Wer ist gestorben?«
Sie seufzte. »Meine Schwester. Meine kleine Schwester Corinna. Das heißt, so klein war sie nicht mehr. Sie ist neunundzwanzig Jahre alt geworden, stand kurz vor dem Abschluss ihrer Promotion.«
»Und wann …«
»Vor sechs Wochen.«
Erneute Pause.
Ich ergriff die Initiative: »Warum hat sie sich umgebracht? Prüfungsstress? Liebeskummer?«
»Nein.«
Katja Lahrmann-Tiemens Augen irrten durch den Raum, bis sie an dem gerahmten Druck eines impressionistischen Gemäldes hängen blieben. Aus dem Katalog Moderne Bürogestaltung . »Sie glaubte, dass sie von Außerirdischen entführt wird.«
»Außerirdische?« Ich setzte mich aufrechter hin. In meiner langen Berufslaufbahn war mir schon einiges untergekommen. Entführungen durch Außerirdische zählten nicht dazu.
»Sie halten das für verrückt, nicht wahr? Ich war der gleichen Meinung. Wir alle, meine Eltern, mein Mann und ich, haben versucht, ihr die Geschichte auszureden. Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht hätten wir Corinna ernster nehmen sollen.«
Ich räusperte mich. »Wie oft kamen die
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