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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Sinusmilieus vor allem zusammengehalten werden, ist die Verachtung. Die Verachtung der anderen. Zu welchem Milieu man gehört, bemerkt man wohl am intensivsten durch den Widerwillen, der einen in anderen Milieus überfällt. Sich selbst hält man in all seiner eigenen Spießigkeit natürlich für einen Ausbund an Normalität. Der Paartherapeut Jürg Willi hat die Beobachtung gemacht, dass Paare nicht so sehr durch gemeinsame Präferenzen zusammengehalten werden, sondern durch gemeinsame Abneigungen. Kaum etwas stabilisiere eine Partnerschaft so sehr, wie von einer Einladung nach Hause zu fahren und sich über die anderen eingeladenen Gäste in traulicher Zweisamkeit das Maul zu zerreißen: »Das Kleid von Frau Schmitz war doch wirklich unmöglich...!« - »Das kann man wohl sagen...!« Geben Sie zu, lieber Leser, Ihnen und mir ist so was noch nie passiert...
     
    Wie kann man am sichersten ganz viel Kohle machen? Natürlich indem man mit den Charakterschwächen der Menschen rechnet. Denn die sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Das Mitläufertum ist eine solche unausrottbare Charakterschwäche und daher ist sie die Mutter aller modernen Marketingstrategien. Was alle machen, kann doch nicht falsch sein. Das mache ich doch sicherheitshalber mal mit! Man will
unbedingt dabei sein, egal bei was. Alles andere wird verachtet. Mode heißt das Zauberwort. Wenn sich alle kariert anziehen, will man sich auch kariert anziehen. Denn das machen ja alle, und was alle machen, ist ganz sicher normal. Dass man dann bloß ganz blödsinnig normal aussieht und das sicher nichts mit wahrer Schönheit zu tun hat, zeigt sich daran, dass alle nach zehn Jahren das, was sie schließlich damals höchstselbst getragen haben, nunmehr furchtbar scheußlich finden.
     
    Die Vermutung, dass einem das in zehn Jahren mit dem Fummel, den man jetzt zum Besten gibt, auch so gehen wird, ist tabu. Denn der raffiniert gesteuerte ständige Wechsel des ultimativ herrschenden »normalen« Geschmacks ist der ökonomische Clou des Ganzen. Wenn man alle Menschen jedes Jahr mit dem Schlachtruf »Das ist jetzt Mode!« in neue völlig normale Klamotten prügeln kann, dann berechtigt das zu den schönsten wirtschaftlichen Hoffnungen. Unter dem Stichwort Mode kann man jeden Blödsinn für normal erklären. So lässt die Tyrannei der Mode alle jedes Jahr aufs Neue blödsinnig normal aussehen, aber genau dadurch ist sie eine ökonomische Labsal für die Textilindustrie. Der Rubel rollt. Leidtragende sind die sich permanent umziehenden Mitläufer der neuen Zeit, die Modekonsumenten, die jede Albernheit mitmachen. Nicht zuletzt leidet der gute Geschmack. Doch das ist der Preis für den glühenden Wunsch, mit all den anderen Normalen zusammen total im Trend liegen zu wollen. Krank ist das nicht. Im Gegenteil. Schließlich sieht man ganz schön normal aus, notfalls blödsinnig normal.
     
    »Da hat sich jemand unmöglich gemacht« war in meiner Kindheit eine gängige Formulierung für Menschen, die zufällig oder absichtlich irgendeinen willkürlichen Formenkanon nicht beachtet hatten. Nun war dieser Mensch, philosophisch gesprochen, nicht nur möglich, sondern nachweislich sogar wirklich. Doch man leugnete nicht nur die Wirklichkeit dieses normabweichenden Menschen, sondern sogar seine Möglichkeit. »Unmöglich dieser Mensch!« war eine im Grunde vernichtende Kommentierung durch irgendwelche blödsinnig Normale,
die sich für das Zentrum der Welt hielten. Cool und Uncool heißen heute die Entsprechungen in der Jugendsprache. Und »peinlich!« ist das zeitlose Gefühl, das einen selbst oder andere beschleichen kann, wenn man sich unvermittelt in einer falschen Welt wiederfindet, die zu einem nicht passt oder zu der man selbst, oder wenigstens das eigene Outfit, nicht passt. Pubertäre, die sich noch für keines der »normalen« Milieus entschieden haben, finden sicherheitshalber erst einmal auf amüsante Weise alles peinlich. Vor allem die eigenen Eltern.
     
    »Ein psychisches Problem haben wir eigentlich nicht, Herr Doktor. Unser Problem wäre gelöst, wenn mein Mann endlich einsehen würde, dass ich recht habe!« Im Brustton der Überzeugung eröffnete eine Frau so die erste Sitzung einer Paartherapie. Der kampferprobte Ehemann gab grollend zurück: »Stimmt, ein psychisches Problem haben wir nicht. Unser Problem wäre gelöst, wenn meine Frau wieder tun würde, was ich sage - wie das früher einmal war.« In solcher Konstellation hat man als Therapeut schlechte

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