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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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aber übergab Alkinoos seinem Gastfreund als Ehrengeschenk zwölf erlesene Mäntel und Leibröcke, einen Dreifuß und ein kunstvoll geschmiedetes Silberbecken, einen Barren puren Goldes und ein Schwert mit erzener Klinge, silbernem Knauf und einer Scheide aus Elfenbein. So ehrten die frommen Phaiaken den Gast und in ihm die Götter und sicherten sich also das Wohlgefallen der Himmlischen. Danach aber begab sich alles Volk in den Palast, umringte den weitgereisten Fremden, und Alkinoos bat ihn, nuneinen getreuen Bericht seiner Fahrten und seiner Abenteuer zu geben; man sei, so sagte der König, geneigt, ihm bis zum Morgengrauen zu lauschen, und an Speise und Wein sich zu stärken und zu erquicken, werde gewiss kein Mangel sein.

II Odysseus
erzählt seine Irrfahrt

Die Schlacht mit den Kikonen
    Es war Stille im Saal, als der König geendet hatte, und nur das Herdfeuer prasselte. Odysseus aber stärkte sich mit einem Becher Wein für seine lange Erzählung, ließ seinen Blick über die lauschbereite Runde hin kreisen und begann also zu sprechen: »Es beliebt dir, mein König, mich nach meinen Fahrten und Fährnissen zu befragen, ach, ihrer sind so viele, dass ich nicht weiß, wo ich beginnen soll! Höre darum erst meinen Namen. Ich bin –«, und ein Raunen ging durch die Halle, als kund wurde, wer da an der Tafel saß –, »ich bin Odysseus, der Sohn des Laertes, Herrscher auf Ithaka, Same, Dulichion und dem waldigen Zakynthos, jede Insel ein rauhes Eiland in der stürmischen See, doch meinem Herzen teurer als alle Paradiese der Erde. Die schöne Göttin Kalypso und die betörende Zauberin Kirke haben mir ein süßes Leben an ihrer Seite angeboten, und beide Male habe ich ihren Antrag abgeschlagen, denn ich sehne mich über alle Maßen nach meiner Heimat und meinem Weib und Kind!
    Wie Troja fiel«, so erzählte Odysseus weiter, »habt ihr von Demodokos, dem liedgewaltigen Sänger, vernommen, hört nun von mir den Bericht meiner qualvollen Heimfahrt. Als wir von Ilion stießen, trieb uns der Wind schnell nach Ismaros, der Stadt der Kikonen, die mit Troja verbündet und also unsere Feinde waren. Wir fielen wie eine Feuersbrunst über sie her, erschlugen die überraschten Männer und führten die jungen Weiber samt reichen Schätzen als Beute mit. Die Klugheit hätte geboten, dasunerkundete Land nun rasch wieder zu verlassen und weiterzusegeln, und ich riet das meinen Gefährten auch, allein sie begannen zu einem großen Siegesschmaus zu rüsten, schlachteten ganze Herden von Schafen, Rindern und Ziegen ab und schleppten aus den Kellern Schläuche voll schweren Weins.
    Da sie fast trunken waren, trat ein, was ich befürchtet hatte. Einigen Kikonen war es gelungen zu entkommen. Sie trommelten ihre Stammesbrüder, die verstreut in Bergdörfern lebten und im Waffenhandwerk geübter waren als die verweichlichten Städter, zusammen und führten sie gegen meine zechende Schar. So wie wir am Morgen über die Ahnungslosen hergefallen waren, so fielen sie nun am Mittag über uns her: Eine wütende Feldschlacht begann, der Himmel war verdunkelt von schwirrenden Lanzen, und als der Abend sich neigte, mussten wir der Übermacht weichen und flohen eilends hinaus aufs Meer.
Vergessen bei den Lotophagen
    Trauernd ruderten wir dahin: Sechs wohlgeharnischte Krieger hatte ein jedes Schiff zu beklagen, und um unsern Gram zu mehren, sandte uns Zeus zur Nacht einen furchtbaren Sturm. Schräg, das Hinterdeck vom aufgewühlten Meer emporgehoben und also mit fast waagrecht gerichtetem Mast, an dem die Fetzen des Segels gleich einem Wimpel hingen, rasten wir, als ob eine Kampfschar von Lanzenträgern einen unsichtbaren Feind berenne, durch die siedende Finsternis. Die ganze Nacht stürmten wir so dahin; am Morgen endlich erspähten wir Land und ruderten in hartem Mühn an die Küste. Zwei Tage und Nächte lagen wir erschöpft auf den runden Kieseln; am dritten Tag endlich hatten wir die Kraft wiedergewonnen, in See zu stechen. Der Wind war günstig, und wir hofften nun sicher auf schnelle Heimkehr, aber als wir das Schiff um das Kap von Maleia lenkten, das Südkap des Landes, das man Pelopsland nennt, schlug der Wind um: Ein Orkan schnob vonNorden herab und drückte unsere Flotte neun Tage lang erbarmungslos südwärts, und am zehnten Tag endlich legten wir im Hafen der Lotophagen, der Lotosesser, an.
    Diese Lotophagen bewohnen ein dürres, heißes Land, in dem in riesigen Küstenwäldern der wundersame Lotosbaum wächst. Seine Früchte, von

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