Irrgarten Der Liebe
viel höchste Wonnen ich empfunden,
Als zum erstenmal ich sie entfaltet
Vor mir sah. Und wenn er drüber lächelt, –
Lächl ich mit. Die jungen Mütter werden
Anders lächeln. Junge Mütter wissen
Um die höchsten Wonnen. Außer ihnen
Wissens nur die Jungen Dichter. – Lächelt,
Liebe Brüder, lächelt, Schwestern-Jungfraun!
Euch, ihr Holden, wünsch ich Allen jenen
Wonnereichsten Anblick. – Ach, noch immer
Dreht um euch sich meines Lebens Spindel.
Darum weiß ich meinem Garten liebre
Gäste nicht, als euch, geliebte Schwestern,
Wenn den bunten Blumen meiner Beete
Nur die grauen Mägde jener Vettel
Ferne bleiben, deren dürre Hände
Ueber alles Leben schwarze Laken
Zänkisch breiten. – Liebe Schwestern, wißt ihr,
Wie sie heißt, die alte, böse Vettel?
Sitte nennt sie sich und Tugend, aber
Lüge ist ihr eigentlicher Name,
Kranke Scham, des Lebens größte Feindin.
Scham ist Zierde. Keine holdre Farbe
Weiß ich, als das schamhafte Erröten
Einer Reinen, die das Süß-Geheime
Heilig hält; es ist ein vornehm Zeichen
Guter, wohlgeschaffner Art und adlig;
Aber niederträchtig und gemeiner Seelen
Schmachmal ist das scheue Blickeirren;
Schlechte Säfte kündet es und Triebe,
Die im Keim schon faul sind. Möge keine
Mit dem Moderatem dieser Krankheit
Meine Blumenbeete mir verpesten!
Mögen sie am Zaune stehn und schmähen,
Während ihr den Atem eurer Frische
Mit den Düften meiner Blumen lieblich
Mischt und lachend über meine Wiesen
Wandelt, oh ihr reizendsten der Blumen.
Was ist tröstlicher, als euer Lachen?
Was ist fröhlicher, als euer Schreiten?
Was ist inniger, als euer Lächeln?
Oh, ich werde hinter meinen Bäumen
Stehn und euch belauschen, liebe Schwestern,
Und ich will nicht fürder klagen, daß ich
Einsam bin, wenn ich euch lachen höre.
Werd ich aber Eine sehen, die sich
Hellen Augs mit innig frohen Mienen
Ueber meine Blumen beugt und lächelt,
Oh, dann werden alle meine Wunden
Lind sich schließen, und ich werde heiter
Meiner Jugend wilden Garten preisen,
Weil die schönste Blume in ihm aufging:
Inniges Verstehen und Genießen.
Lieder
Des Musterknaben kläglich Lied
Manchen Wein hab ich getrunken,
Manchem schönen Kinde bin
Ich verliebt ans Herz gesunken;
Jetzt geht alles nüchtern hin,
Abgezirkelt, abgemessen,
Und das ist des Liedes Sinn:
Ach, vergossen, ach, vergessen!
Dunkelroter Wein im Becher
Und ein weißer Busen bloß, –
Ein Verliebter und ein Zecher
War ich selig, war ich groß,
Ritt auf Rausches roten Rossen
Mitten in der Götter Schooß, –
Ach, vergessen, ach, vergossen!
Einsam geh ich nachts nach Hause,
Und mein Keller steht mir leer,
Das verworrene Gebrause,
Ach, mein Herz kennt es nicht mehr;
Tugend hat sich eingesessen,
Exemplarisch, würdig, schwer, –
Ach, vergossen, ach, vergessen!
Soll mich gar nichts mehr entzücken?
Soll ich ewig nüchtern sein?
Wehe Tugend, deinen Tücken,
Denn sie machen mir nur Pein;
Sauertöpfisch und verdrossen
Trag ich meinen Heiligenschein, –
Ach, vergessen, ach, vergossen!
Weißt du noch?
Weißt du noch: das kleine Haus
Zwischen Wald und See und Feld?
Eine alte Eiche hält
Wacht davor.
Weißt du noch: das Zimmerchen?
Wie ein Käfig war es klein,
Nur ein Tisch, ein Stuhl und ein
Kanapee.
Weißt du noch: die Dämmerung?
Glockenklang vom Kloster her ...;
»Nun laß ich dich nimmermehr!«
Weißt du noch?
Liebeslied
Ich nehme dich und küsse dich
Und lasse dich nicht von mir,
Ein blinder Bettler wäre ich,
Wär nicht mein Herz bei dir.
Seele, Sinne, alles Meine,
Es ist deine
Jederstund;
Laß mich küssen, laß mich küssen
Deine Hände, deine Stirne,
Deine Augen und den Mund.
Sommerstrophe
Wohl in der hellen Sonnen
Hab ich das Feld gewonnen,
Heiß war der Erntetag;
Es brannten alle Farben,
Da zwischen zweien Garben
Das Glück mir in den Armen lag.
Aus der Ferne in der Nacht
Wenn im braunen Hafen
Alle Schiffe schlafen,
Wach ich auf zu dir.
Stille in der Runde,
Heilig diese Stunde,
Denn sie bringt dich, atemhaltend, mir.
Stehst in Mondenhelle
Wartend an der Schwelle,
Und ich fühle dich;
Komm', daß ich dich halte,
Deine Seele walte
Ueber meinen Träumen mütterlich.
Sehnsucht
Wie eine leise Glocke klingt
Die Sehnsucht in mir an;
Weiß nicht, woher, wohin sie singt,
Weil ich nicht lauschen kann.
Es treibt das Leben mich wild
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