Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrungen, Wirrungen

Irrungen, Wirrungen

Titel: Irrungen, Wirrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Serge, du russifizierst dich immer mehr oder, was dasselbe sagen will, wächst dich immer mehr in deinen Namen hinein.«
    »Immer noch nicht genug. Aber Scherz beiseite, Freund, eines ist Ernst in der Sache: Rienäcker ärgert mich. Was hat er gegen die reizende kleine Frau. Weißt du's?«
    »Ja.«
    »Nun?«
    »She is rather a little silly. Oder wenn du's deutsch hören willst: sie dalbert ein bißchen. Jedenfalls
ihm
zuviel.«
     

Neunzehntes Kapitel
     
    Käthe zog zwischen Berlin und Potsdam schon die gelben Vorhänge vor ihr Kupeefenster, um Schutz gegen die beständig stärker werdende Blendung zu haben, am Luisen-Ufer aber waren an demselben Tage keine Vorhänge herabgelassen, und die Vormittagssonne schien hell in die Fenster der Frau Nimptsch und füllte die ganze Stube mit Licht. Nur der Hintergrund lag im Schatten, und hier stand ein altmodisches Bett mit hoch aufgetürmten und rot und weiß karierten Kissen, an die Frau Nimptsch sich lehnte. Sie saß mehr, als sie lag, denn sie hatte Wasser in der Brust und litt heftig an asthmatischen Beschwerden. Immer wieder wandte sie den Kopf nach dem einen offenstehenden Fenster, aber doch noch häufiger nach dem Kaminofen, auf dessen Herdstelle heute kein Feuer brannte.
    Lene saß neben ihr, ihre Hand haltend, und als sie sah, daß der Blick der Alten immer in derselben Richtung ging, sagte sie: »Soll ich ein Feuer machen, Mutter? Ich dachte, weil du liegst und die Bettwärme hast und weil es so heiß ist...«
    Die Alte sagte nichts, aber es kam Lenen doch so vor, als ob sie's wohl gern hätte. So ging sie denn hin und bückte sich und machte ein Feuer.
    Als sie wieder ans Bett kam, lächelte die Alte zufrieden und sagte: »Ja, Lene, heiß ist es. Aber du weißt ja, ich muß es immer sehn. Und wenn ich es nicht sehe, dann denk ich, es ist alles aus und kein Leben und kein Funke mehr. Und man hat doch so seine Angst hier...«
    Und dabei wies sie nach Brust und Herz.
    »Ach, Mutter, du denkst immer gleich an Sterben. Und ist doch so oft schon vorübergegangen.«
    »Ja, Kind, oft is es vorübergegangen, aber mal kommt es, und mit siebzig, da kann es jeden Tag kommen. Weißt du, mache das andere Fenster auch noch auf, dann is mehr Luft hier, und das Feuer brennt besser. Sieh doch bloß, es will nicht mehr recht, es raucht so...«
    »Das macht die Sonne, die grade drauf steht...«.
    »Und dann gib mir von den grünen Tropfen, die mir die Dörr gebracht hat. Ein bißchen hilft es doch immer.«
    Lene tat wie geheißen, und der Kranken, als sie die Tropfen genommen hatte, schien wirklich etwas besser und leichter ums Herz zu werden. Sie stemmte die Hand aufs Bett und schob sich höher hinauf, und als ihr Lene noch ein Kissen ins Kreuz gestopft hatte, sagte sie: »War Franke schon hier?«
    »Ja; gleich heute früh. Er fragt immer, eh er in die Fabrik geht.«
    »Is ein sehr guter Mann.«
    »Ja, das ist er.«
    »Und mit das Konventikelsche...«
    »... wird es so schlimm nicht sein. Und ich glaube beinah, daß er seine guten Grundsätze da herhat. Glaubst du nicht auch?«
    Die Alte lächelte. »Nein, Lene, die kommen vom lieben Gott. Und der eine hat sie, un der andre hat sie nicht. Ich glaube nich recht ans Lernen un Erziehen... Und hat er noch nichts gesagt?«
    »Ja, gestern abend.«
    »Un was hast du ihm geantwortet?«
    »Ich hab ihm geantwortet, daß ich ihn nehmen wolle, weil ich ihn für einen ehrlichen und zuverlässigen Mann hielte, der nicht bloß für mich, sondern auch für dich sorgen würde...«
    Die Alte nickte zustimmend.
    »Und«, fuhr Lene fort, »als ich das so gesagt hatte, nahm er meine Hand und rief in guter Laune: ›Na, Lene, denn also abgemacht!‹ Ich aber schüttelte den Kopf und sagte, daß das so schnell nicht ginge, denn ich hätt ihm noch was zu bekennen. Und als er fragte, was, erzählt ich ihm, ich hätte zweimal ein Verhältnis gehabt: erst... na, du weißt ja, Mutter..., und den ersten hätt ich ganz gern gehabt, und den andern hätt ich sehr geliebt, und mein Herz hinge noch an ihm. Aber er sei jetzt glücklich verheiratet und ich hätt ihn nie wiedergesehen, außer ein einzig Mal, und ich wollt ihn auch nicht wiedersehn. Ihm aber, der es so gut mit uns meine, hätt ich das alles sagen müssen, weil ich keinen und am wenigsten ihn hintergehen wolle...«
    »Jott, Jott«, weimerte die Alte dazwischen.
    »... Und gleich danach ist er aufgestanden und in seine Wohnung rübergegangen. Aber er war nicht böse, was ich ganz deutlich sehen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher