Gelehrig: Erotischer Roman (German Edition)
1 Winteraffären
Sommerflirts bleiben wegen ihrer überschäumenden Emotionen meistens lang in Erinnerung, aber eigentlich sind Winteraffären viel wichtiger , dachte Melanie, als sie eines kalten Novembermorgens die Harbor Street entlangging. Raues Wetter verlangte nach rauer Lust, insbesondere in einer Stadt, in der bis zu sieben Monate im Jahr Schnee lag. Außerdem musste sie einen Liebhaber finden, dessen Stimmungen ausgeglichen genug waren, dass sie sie an den langen Abenden im Haus aushalten konnte. Ihre Kriterien waren nicht ohne. Er sollte belesen sein, witzig und gut Karten spielen können, aber nicht so ein Denker oder Gewinnertyp, der sie nach dem ersten Wochenende schon langweilte. Außerdem musste er kochen können oder zumindest nichts dagegen haben, die Essenslieferungen von exotischen Restaurants zu bezahlen, und er sollte sehr kreativ und experimentierfreudig sein, weil es an einem verschneiten Nachmittag nichts Aufregenderes gab, als einige Stunden mit einem frechen Rollenspiel zu verbringen.
Allerdings sah es nicht danach aus, dass Melanie in den nächsten Monaten viele freie Nachmittage haben würde. Sie war vor Kurzem zur neuen Managerin des Chimera befördert worden, der Secondhand-Boutique, in der sie schon seit Teenagerzeiten arbeitete. Unter ihrer Leitung war die Auswahl im Laden zunehmend freizügiger geworden, und es gab weitaus mehr Lingerie und heiße Outfits als früher. Im letzten Monat hatte sie einen lang gehegten Traum umgesetzt und das Angebot um Sexspielzeug und klassische Erotika erweitert. Seitdem stiegen die Verkaufszahlen merklich. Inzwischen war der Umsatz fast doppelt so hoch wie zuvor, aber Melanie musste auch dreimal so hart arbeiten, um alles hinzukriegen.
Sobald die Kunden des Chimera von dem neuen Geschäftszweig erfahren hatten, wurde bei den wagemutigeren der Ruf nach Fetischkleidung laut. Sie wollten Lederkorsetts und PVC-Tops mit den erleseneren Röcken, Handschuhen und Schmuckstücken kombinieren. Sehr häufig konnte Melanie den fraglichen Artikel im Internet finden, aber sie träumte davon, eine größere Auswahl an Kleidungsstücken und Spielzeug anbieten zu können, damit die Kunden die Objekte ihrer Begierde anfassen, begutachten und direkt vor ihren Spiegeln ausprobieren konnten. Der Einkauf im Geschäft hatte etwas so Intimes und Aufregendes an sich, wenn man die Dinge berühren durfte, die man bisher nur in seinen Träumen gesehen hatte, und diese dann gleich mit nach Hause nehmen konnte.
Als sie so über Korsetts und halterlose Strümpfe nachdachte, erbebte Melanie. Ihre Nippel wurden unter ihrem Pulli – einem blassblauen, mit Perlen besetzten Kaschmir-Cardigan, den sie über einer hautengen schwarzen Hose trug – zu eiskalten Knöpfen. Ihr Outfit war für dieses kalte Wetter zwar viel zu dünn, aber Melanie konnte es nicht ertragen, ihr Styling durch einen Mantel zu verschandeln, vor allem dann nicht, wenn es im Haus nebenan von Tischlern und sonstigen Handwerkern nur so wimmelte.
Das Haus wurde zu einem Museum für lokale Geschichte umgebaut, und bei den Arbeiten gab es viele Überstunden, da sie abgeschlossen sein sollten, bevor die schweren Schneestürme über die Stadt hereinbrachen. Im Moment wimmelte es auf dem Bürgersteig nur so von Männern, und einer sah besser aus als der andere. Alle waren groß, muskulös und unglaublich gut aussehend. Sie trugen ihre inoffizielle Uniform: ausgeblichene Jeans und frisch gewaschene weiße T-Shirts, Flanellhemden und Jeansjacken, dazu Arbeitsstiefel und hier und da einen schlichten goldenen Ohrring oder eine Tätowierung. Sie rochen nach frisch gewaschener Baumwolle, Rasierschaum und Zahnpasta mit Pfefferminzgeschmack. Einige hatten ordentlich gestutzte Bärte, andere waren glatt rasiert. Und alle starrten Melanie an, als wäre sie eine junge Jane Russell und direkt aus einem alten Film entsprungen.
»Guten Morgen, Jungs«, trällerte sie, winkte und sah sie mit einem Schmollmund an, der sich schnell in ein strahlendes Lächeln verwandelte. Die Männer stolperten und stießen wie eine Herde aufgescheuchter Bullen gegeneinander. Mit wenigen Ausnahmen wäre jeder dieser leckeren Kerle ideal für ein Wochenende voller Gymnastikübungen, zumindest nach Melanies Meinung, aber im Geiste war sie noch immer auf ihren imaginären Winterliebhaber fixiert. Sie wollte jemanden, mit dem sie zusammenbleiben konnte, bis der Frühling anbrach.
Nachdem sie die Ladentür aufgeschlossen hatte, nahm sie die Ruhe des
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