079 - Der Körperdieb
Das kleine Privatmuseum stand in Mayfair, in der Nähe des Hyde Park. Moderne Künstler wurden hier ausgestellt.
Existentialisten, Futuristen, Impressionisten…
Die Kunst der Gegenwart wurde den Menschen hier nahegebracht, und das Museum, erst vor fünf Jahren eröffnet, erfreute sich immer größerer Beliebtheit. Die Reisebüros hatten es sogar schon in ihre Sightseeing Tours aufgenommen.
Der Brunnen vor dem Museum war dem Trevi-Brunnen von Rom stark nachempfunden, und auch hier hatte es sich eingebürgert, Münzen hineinzuwerfen.
Wer nach London zurückkehren wollte, mußte sich mit dem Rücken zum Brunnen aufstellen, die Münze über die linke Schulter werfen und sich diese Rückkehr dabei ganz fest wünschen. Man behauptete, daß es damit bisher noch jedesmal geklappt hatte.
Skeptiker hingegen meinten, der einzige Erfolg dieses Brauches wäre es, um einige Cents ärmer zu werden.
Und neben diesem Brunnen kam das Grauen in unsere Welt.
Zuerst flimmerte die Abendluft, dann materialisierte ein Körper, aber er war nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Glas! Zumindest wirkte das Material, aus dem der Vollstrecker der Hölle bestand, wie Glas.
Reglos stand er da, eine Statue des Schreckens.
Dürr und schmächtig, dabei aber groß wie ein Hüne. Der Kopf war kahl mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen, die Augen groß und wimpernlos.
Leblos sah Kanutto aus, aber das war er nicht. Er registrierte alles, nahm Geräusche wahr und konnte sehen. Mit unsichtbaren Fühlern tastete er seine Umgebung nach Leben ab.
Im Moment war kein menschliches Wesen in der Nähe, aber das würde sich bald schon ändern. Kanutto wartete. Er hatte Zeit. Sein Opfer würde zu ihm kommen…
***
Sie waren mit dem Streifenwagen unterwegs, Dick Browning und Gary Kerr. Sie waren ein eingespieltes Team, schon seit acht Jahren.
Sie machten so gut wie immer zusammen Dienst, ohne sich auf die Nerven zu gehen, und sie ergänzten einander großartig.
Gary Kerr, blond und blauäugig wie ein waschechter Germane.
Dick Browning, doppelt so breit wie Kerr, groß, dunkelhaarig wie ein Sizilianer und bärtig.
Sie waren das beste Kontrastprogramm, das die Londoner Polizei zu bieten hatte, und sie sorgten in ihrer ganz besonderen Art und Weise dafür, daß ihr Gebiet sauber blieb.
Dazu brauchten sie nicht einmal unbedingt Waffen. Die meisten Probleme lösten sie mit den Fäusten, und in 99 von 100 Fällen hatten sie die besseren und »durchschlagenderen«
Argumente.
Es war ein ruhiger Abend heute. Über den Polizeifunk kamen kaum aufregende Meldungen.
»’ne richtige Flaute ist das«, brummte Dick Browning.
»Tut auch mal gut, bloß spazierenzufahren«, meinte Kerr.
»Wenn ich daran denke, was vorgestern los war, ist mir diese Ruhepause schon viel lieber.«
Browning lachte nur.
Randalierende Matrosen hatten versucht, ein Nachtlokal auseinanderzunehmen. Und dann waren sie selbst von Browning und Kerr auseinandergenommen worden.
Die beiden Polizisten hatten eine Sondervorstellung gegeben, die, wortwörtlich, großen Eindruck hinterließ. Zwei Matrosen laborierten noch immer an den Nachwirkungen.
Kerr bog nach links auf die Straße ab, die zum Hyde Park führte. Von weitem schon sahen sie das Museum. Verborgene Scheinwerfer strahlten den rauschenden Brunnen und das dahinter aufragende Gebäude an.
»Warst du schon mal drinnen?« fragte Kerr seinen Kollegen.
»Nein. Warum auch?«
»Kulturbanause.«
»Was soll ich machen? Mich interessieren die zeitgenössischen Künstler nicht. Die haben Ideen, die mir einfach zu verrückt sind.«
»Du hast keine Fantasie, mein Junge. Trocken wie ein Löschblatt bist du.«
»Na schön, ich verstehe nicht viel von moderner Kunst, dafür mehr vom Fußball. Weißt du, ich –«
»Was ist denn das?« unterbrach ihn Kerr. »Da vorn vor dem Brunnen.«
Er nahm den Fuß vom Gaspedal.
»Was meinst du?« fragte Browning.
»Jetzt stellen sie ihre Exponate bereits auf die Straße.«
»Meinst du den gläsernen Heini?«
»Ist dir bekannt, ob sie dafür eine Genehmigung haben?«
»Nein, aber darüber müßten die Jungs von der Zentrale eigentlich Bescheid wissen«, sagte Dick Browning.
Kerr ließ den Wagen ausrollen. »Frag mal nach.«
Browning hakte das Mikrofon los und setzte sich mit der Zentrale in Verbindung. Von einer Glasfigur am Straßenrand wußte niemand.
»Wenn sie drinnen auch keinen Platz mehr haben, können sie trotzdem nicht einfach machen, was sie wollen«, sagte Browning. »Der Gehsteig
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