Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Die verliebte Mumie
1
Was war das bloß für ein Geräusch? Ich blickte zu der hohen, reich verzierten Tür hin, die den Eingang zu den Privatgemächern meines Freundes bildete. Es klang wie ein endloses Rieseln von Perlen, die durch Astwerk geschüttet werden. Holmes hatte gemerkt, daß meine Gedanken abgelenkt wurden. Wir standen an seinem Arbeitstisch. Auf der Schreibplatte lag ein alter Foliant mit zahlreichen Bildern von Pflanzen. Die einzelnen Seiten waren aus Pergament, und die Farben waren in einer Zeit aufgetragen worden, als es noch keine Pinsel gab. „Es kann sich natürlich um eine Fälschung handeln“, sagte Holmes, „doch wenn es eine Fälschung wäre, dann stammt sie aus dem Mittelalter, und ist vermutlich um das Jahr 900 herum entstanden. Fest steht, daß es seit einem Jahrtausend keinem gelungen ist, die Sprache, in der es verfasst ist, zu entziffern. Es mag eine Kunstsprache sein, oder die Schrift einer versunkenen Kultur. Vielleicht ist dieses Buch älter als die Hieroglyphen und älter als die Keilschriften der Sumerer. Keiner kann sagen, was es bedeutet, und niemand weiß, ob es zehntausend oder hunderttausend Jahre alt sein könnte, Zeugnis einer Kultur, die so alt ist wie die Menschheit.“
Ich hatte gehört, daß sich Holmes seit mehreren Wochen im Auftrag seiner Majestät mit einem Geheimprojekt beschäftigte. Er hatte in dieser Zeit nichts von sich hören lassen, und sich gewissermaßen in der Baker Street von der Welt abgeschottet. Ich vermutete, daß das Geräusch mit seinem Auftrag zu tun hatte, und daß Holmes die Rede auf das Manuskript gebracht hatte, weil er zögerte, mich ganz einzuweihen. Wenn es aber so war, warum hatte er mich dann an diesem Morgen zu sich bestellt? Wieder ertönte das Geräusch. Es mochte von einer Maschine stammen, die in gewissen Abständen Perlen auf den Boden ausschüttete. Es war da ein Prasseln. Oder vielleicht konnte es sich um Flüssigkeit handeln, die von einer harten, elastischen Unterlage abprallte? Oder griff der Mechanismus irgendwelche Drähte ab? Es klang fast wie Musik, als wollte man auf dem Klavier spielen, indem man mit dem Finger unter dem Klavierdeckel im Saitenkasten pulte.
Holmes merkte, daß ich den Kopf gehoben hatte und auf die hohe, verschlossene Tür starrte. „Sie sind heute unkonzentriert, Watson“, schalt er mich.
„ Es ist nur so, lieber Freund ...“ stammelte ich.
„ Nein, schon gut. Ich merke doch, daß ich Sie heute nicht mit Rätseln zufrieden stellen kann. Sie lechzen nach Lösungen, nicht wahr?“
„ Zumindest würde ich zu gerne wissen, was das ist“, bekannte ich, und wies auf die Tür.
Holmes seufzte. „Darauf kommen wir gleich“, meinte er, wies auf das Sofa und fiel seinerseits in eines der Fauteuils, als wolle er auf ein leidiges Thema zu sprechen kommen. Ich zog einen Stuhl heran, da ich etwas müde geworden war und das einladende Sofa diese Müdigkeit womöglich verstärkt hätte. Ich machte eine aufgeweckte Miene und setzte mich rittlings auf den Stuhl, Holmes direkt gegenüber. „Gleich kommt Maddox“, informierte er mich. Mein Herz schlug etwas schneller. Wenn Inspektor Maddox von Scotland Yard in die Sache verwickelt war, war das ein deutlicher Hinweis darauf, daß gerade ein neuer Fall hereingekommen war. Ich hatte mich in den letzten Monaten etwas gelangweilt und freute mich darauf, bei seiner Auflösung wieder mit von der Partie zu sein.
„ Bevor wir aber den guten Inspektor in den Angelegenheit einweihen, wollte ich gerne Ihre Meinung einholen, Watson.“
Ich nickte atemlos, konnte aber nicht umhin, das Haupt wieder in die Richtung der Tür zu wenden, denn ich hatte den Eindruck, da kichere jemand. Das Geräusch aber klang, als würde man träumend dem Regen
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