Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
ein wenig schief standen, aber das machte ihn irgendwie noch heißer. Als sei er schon in früher Jugend zu männlich gewesen, um sich aus Eitelkeit mit etwas so Banalem wie einer Zahnspange rumzuplagen. »Klapp mal die Motorhaube hoch, aye?«
O Mann … er hatte einen schottischen Akzent. Das verwirrte mich total. Anstatt der Motorhaube klappte ich nur den Mund auf.
Wieder dieses Lächeln mit nicht ganz ebenmäßigen Zähnen. Als wäre der junge Gerard Butler aus einer Filmleinwand rausgesprungen und stünde nun in Fleisch und Blut vor mir. Voll in 3-D.
»Die Motorhaube, Mädchen!« Diesmal sprach er so langsam, als sei ich heute Morgen aus der Klapse entwichen.
Tu was! Motorhaube! Klar, was sonst?
Er stand einfach da und wartete. Ich klappte die Kinnlade zu. Highschool-Mäuschen, okay, aber keine Dumpfbacke! »Sofort!«
Hebel ziehen. Motorhaube hochklappen. Innereien begutachten. Ich stieg aus, während er sich über den Motorraum beugte.
Wie bereits angedeutet, bin ich keineswegs aus Holz. Ich nutzte die Gelegenheit, um einen Knackarsch und die dazugehörigen festen Oberschenkel genauer zu betrachten. Ich mag Jungs mit schlichten engen Jeans. Ohne all den aufgestylten metrosexuellen Mist. Eine abgetragene alte Levi’s, sonst nichts. Ob das eine echte 501er mit Knopfverschluss war?
Er richtete sich auf, und es gelang mir, meinen Blick von seinen tiefer gelegenen Regionen zu lösen, bevor ihm auffiel, in welche Richtung mein Interesse ging. »Vermutlich der Vergaser«, meinte er und wischte sich schwarzes Schmieröl von den Fingern.
»Der Vergaser – ein Versager«, murmelte ich und ärgerte mich im nächsten Moment über meinen lahmen Spruch. Idiotin! Du bist so eine Vollidiotin!
Er verzog keine Miene – natürlich nicht! – und ging so gleichgültig um das Auto herum, als käme es direkt vom Schrottplatz.
»Soll ich dich zu einer Werkstatt abschleppen?«
Nur wenn gleich daneben eine Bank ist, die ich überfallen kann. »Nein, danke«, sagte ich.
Er hatte seine Inspektionsrunde beendet und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Tür. Ich konnte meinen Blick nicht von seinem Bizeps und dem Tattoo losreißen. »Kann ich jemanden für dich anrufen?«
»Nein.« Ich räusperte mich, auf unerklärliche Weise traurig, dass unser kurzes Zusammentreffen zu Ende sein sollte, noch bevor wir uns richtig kennengelernt hatten. Paradis perdu. Ich hatte das Gefühl, dass er von jetzt an mein verlorenes Paradies sein würde. »Ich krieg das schon hin.«
»Ach du meine Güte.« Er schüttelte den Kopf, und mein Herz begann wie wild zu rasen. Ein so unglaublich starker Typ, der »Ach du meine Güte« sagte, war einfach krass sexy. »Eine tolle Frau wie du, ganz auf sich gestellt …«
Hatte er mich eben als Frau bezeichnet? Ich biss mir auf die Lippe und gab mir alle Mühe, nicht knallrot anzulaufen. Statt einer Antwort lachte ich nur, aber das kam eher kläglich als cool rüber.
Was meinte er mit »tolle Frau wie du«? Wenn auf mich eine Kategorie zutraf, dann am ehesten Zickige Jahrgangsbeste. Als Tolle Frau hatte mich bis heute definitiv noch niemand eingestuft.
Sein Blick wanderte an mir rauf und runter, und ich rückte hastig mein Shirt zurecht, obwohl ich wusste, dass meine – eher bescheiden – herausragenden Teile allesamt wie vorgesehen verstaut waren.
»Ein böses Raubtier könnte kommen und dich vernaschen.« Er kniff die Augen zusammen und bedachte mich mit einem Lächeln, das, vielleicht durch seinen Akzent, verrucht und gefährlich wirkte. Und dann zwinkerte er.
Boah , dachte ich, gleich sprengt es mir das Herz . Wann hatte mir zuletzt ein Mann zugezwinkert? Ich erinnerte mich vage an einen schmierigen Weihnachtsmann in einer Einkaufspassage, vor dem ich die Flucht ergriffen hatte.
»Ich krieg das schon hin«, wiederholte ich. »Ich gehe zurück ins Immatrikulationsamt und …« Und was?
Er musterte mich abschätzend. »Bist du nicht ein wenig jung für die Universität? Was hältst du davon, deine Eltern zu verständigen?«
Okay, das saß. So viel zu meinem neuen Status als tolle Frau. Ich kämpfte gegen den Zwang an, meine Hutkrempe tiefer in die Stirn zu ziehen.
Also echt, was sollte die Frage nach meinen Eltern? Normalerweise zog ich es vor, zehn Minuten lang Small Talk zu labern, ehe ich mit meiner Lebensbeichte herausrückte. Er hatte Glück, dass sein Blick etwas weicher wurde, denn nur deshalb – ich schwör’s! – entschloss ich mich, ihm zu antworten. »Ein Semester
Weitere Kostenlose Bücher