Ismaels fliegende Wale
genügend Mittel, um die Agonie und das Ende hinauszuzögern.
Als würde sie in den Schlund der Nacht eintauchen, hing die Sonne über dem Horizont. Dann wurde sie verschluckt, und in der noch mondlosen Nacht stellten die Schiffe ihre Kreismanöver ein und segelten auf die ferne Erhebung zu. Nach einer Stunde glitt der Rand des porösen Mondes über den östlichen Horizont und überflutete die Finsternis rasch mit leuchtender Helligkeit. Gegen die ebenso wie die Schiffshüllen eingeschwärzten Segel vermochte er indes nur wenig auszurichten. Die Brücke hatte man mit einem zweiten Deck versehen, das sich über die normale Ebene hinaus erhob und erheblichen Windwiderstand hervorrief; aber es gab keine andere Möglichkeit. Der Kapitän mußte sehen, wohin es ging.
Etwa hundert Meilen von Booragangah entfernt kreisten – vom Flaggschiff abgesehen – alle anderen aufwärts. Die Schiffe würden so weit aufsteigen, wie es ihre Möglichkeiten erlaubten. Die Mannschaften bezogen die nötige Luft aus hölzernen Flakons mit komprimiertem Sauerstoff, die Ismael entworfen hatte. Sie mußten an einen bestimmten Punkt über ihr Ziel gelangen und dort weiter kreisen. Nach einer Stunde – die man auf den von Ismael hergestellten Sanduhren ablas – würden sie dann tiefer gehen, und zwar langsam, bis sie das Signal sahen, woraufhin sie rasch Gas ablassen mußten. Die große Woobarangu würde dies noch schneller tun müssen.
Die Roolanga schwebte geradeaus weiter und verlor dabei stetig an Höhe. Als sie sich etwa zwanzig Fuß über den Wipfeln der bebenden Vegetation befand, blieb sie auf dieser Höhe. Lange bevor die anderen Schiffe die Spitze der von ihnen eingeschlagenen Spirale erreicht hatten, glitt die Roolanga still und langsam mit gerefften Segeln und eingezogenem Untermast in den Wind. Widerhaken, die in den Dschungel hinabgeworfen wurden, erzeugten mehr Lärm, als Ismael erwartet hatte. Aber schließlich blieben sie irgendwo hängen, und einige Männer kletterten an den Seilen herab, um die Haken abzusichern.
Sie befanden sich am Fuß des sich auftürmenden Berges, unterhalb eines gewaltigen Felsenriffs, auf dessen Oberfläche die Stadt des Gegners lag. Über ihnen kreisten kleine Patrouillenboote – und hinter diesen wiederum andere Schiffe, die den Bug in die unterschiedlichsten Richtungen hielten und nach etwaigen Angreifern oder Spionen Ausschau hielten. Aber entweder befanden sie sich nicht hoch oder nicht tief genug, um die Eindringlinge wahrzunehmen.
Ismael hatte dunkle Kleider angelegt und sein Gesicht geschwärzt. Einen Moment später gesellte sich Namalee, die ähnlich ausstaffiert war, zu ihm. Ismael erteilte Pavashtri, dem Ersten Offizier und mithin jenem Mann, der während seiner Abwesenheit die Roolanga kommandieren würde, die letzten Anweisungen und begab sich dann zusammen mit Namalee über eine Leiter in den Hauptgang hinunter, von dem aus sie einen der Fangboot-Hangare betraten. Das Boot war eine Spezialkonstruktion und konnte außer ihnen noch sechs andere Männer tragen. Es war noch mit den Pollern verbunden, denn inzwischen hatte man die Blasen soweit gefüttert, daß sie genug Gas erzeugten, um das Boot rasch aufsteigen zu lassen. Die Mannschaft begab sich an Bord und schnallte sich an. Jeder der Männer trug in einer Scheide ein langes, scharfes Messer, das aus einer bambusähnlichen Pflanze gemacht worden war, bei sich. Auf dem Boden des Bootes lagen Kurzspeere, stämmige kleine Bogen und mit Pfeilen gespickte Lederköcher. Was Pfeil und Bogen anging, so hatte es Ismael einen harten Kampf gekostet, diese Waffe unter den Zalarapamtranern durchzusetzen.
Die Leute kannten dieses Vernichtungsinstrument, schienen ihm aber aus irgendwelchen in der Vergangenheit verhafteten Gründen keine Sympathie entgegenzubringen. Männer benutzten so etwas nicht, hatten sie gesagt, und Ismael hatte erwidert, daß Pfeil und Bogen in seiner Zeit (er ging dabei ein wenig großzügig mit der Zeit um) als sehr männlich gegolten hatten. Tatsache war, daß sie ziemlich tödlich wirkten und die vergleichsweise kleine Gruppe, die Booragangah überfiel, alle Feuerkraft benötigte, die sie bekommen konnte. Ismael wußte, daß dies stimmte, weil die Götter es so gesagt hatten.
Mittlerweile hatte Ismael nichts mehr dagegen, den Leuten zu erzählen, was ihre Götter von ihnen erwarteten. Er handelte so, als erhalte er durch Gedankenkraft göttliche Befehle, und die anderen verhielten sich daraufhin so, als sei dies
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