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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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und unrasiert, die grauen Haare hingen ihm strähnig über die Stirn. Müdigkeit und Verzweiflung hatten sich tief in seine Gesichtszüge eingegraben. Und seine Augen waren weder flink noch stechend. Sie waren voller Angst. Ich weiß noch, wie ich damals dachte, dass er Angst um Solo hatte. Aber das war es nicht. Quint Tempelhoff hatte Angst vor dem, was Solo erfahren würde.
    Solos Zwillingsbruder deutete auf zwei Stühle, die vor dem Computertisch standen. »Setzt euch doch«, sagte er und es kam mir vor, als hätte er die Worte auswendig gelernt, Worte aus einem Skript, das nur er kannte. Ja, es war, als hätte er sich sein ganzes Leben lang auf diese Szene vorbereitet, um jetzt zu merken, dass er ihr nicht gewachsen war. Er räusperte sich.
    »Es ist eine längere Geschichte und eigentlich würde ich gerne damit anfangen, warum ich überhaupt hier bin. Mein Motiv – so nennt man das doch im Film, oder?« Tobias wischte sich die linke Hand an der Jeans ab, in der rechten hielt er noch immer das Messer. Solo und ich rührten uns nicht vom Fleck. Ich war dicht an der Tür stehen geblieben, während Mephisto mit eingezogenem Schwanz zwischen uns hin und her sah. Tobias warf dem Hund einen kurzen Blick zu. »Es wäre nett, wenn du ihn hinausbitten würdest«, sagte er zu Solo. »Bis jetzt wirkt er zwar ziemlich treuherzig, aber bei diesem Namen kann man ja nie wissen.«
    Mephisto sträubte sich, er winselte, aber schließlich trottete er nach draußen und Tobias gab Solo ein Zeichen, die Tür zu schließen. Dann streckte er die Hand aus. »Dreh den Schlüssel um und gib ihn mir.«
    Solo machte eine Vorwärtsbewegung, aber dann hielt er inne und ließ den Schlüssel vor sich auf den Boden fallen. Tobias lächelte nur, als er sich bückte und ihn aufhob. Wieder streifte mich sein Blick und wieder zuckte sein Gesicht wie im Schmerz.
    Dann stellte er sich hinter Quint Tempelhoff und legte die freie Hand auf seine Schulter. »So«, sagte er leise. » Ich schlage vor, du erzählst. Und wir hören zu. Kinder lieben Geschichten. Erzähl uns von früher, ich meine, von ganz früher. Wie alles anfing. Erzähl, wie wir auf die Welt gekommen sind, Solo und ich. Wenn du etwas vergisst, spring ich ein. Ich kenn die Geschichte ja, ich hab sie gelesen, in deinem eigenen Computer. Hilft es eigentlich, sich einer Maschine anzuvertrauen?«
    Erst sehr viel später fiel mir auf, dass Tobias uns in diesem Moment in keiner Form körperlich bedrohte. Er hatte das Messer, sicher, aber er setzte es nicht ein. Er brauchte es nicht. Solo griff ihn nicht an, niemand von uns tat es.
    Ich sah, wie der Adamsapfel des Regisseurs nach vorne schnellte. Quint Tempelhoff schluckte, während Solo schwankte und verzweifelt nach einem Halt suchte. Aber er stand mitten im Raum, da war nichts, woran er sich festhalten konnte. »Was ist passiert?«, presste er hervor und diesmal wandte sich Solo nicht an Tobias, sondern an seinen Vater. »Erzähl mir, was das alles hier bedeutet.«
    »Ich …«, setzte Tempelhoff an. »Solo, ich habe dir …« Tobias’ Hand lag noch immer auf Tempelhoffs Schulter, aber es sah nicht so aus, als wolle er dem Regisseur Mut machen.
    Quint Tempelhoff schloss die Augen. Eine lange Zeit. Als er sie wieder öffnete, sah er aus, als wäre er um Jahre gealtert.
    »Deine Mutter« setzte er mit einer schwachen, fast flüsternden Stimme an, »ist bei der Geburt gestorben, aber es war nicht so, wie ich es dir erzählt habe. Du kamst zuerst und alles war in bester Ordnung. Deine Mutter hielt dich im Arm, sie lachte vor Glück und dann setzten erneut die Wehen ein. Wir wussten natürlich, dass wir Zwillinge bekommen würden, aber dein Bruder … «
    Tobias räusperte sich wieder, diesmal heftiger, ungeduldiger. »Könntest du vielleicht ein bisschen lauter sprechen.« Es klang nicht wie eine Frage, auch nicht wie eine Bitte. Es war ein Befehl. »Komm schon, du bist doch sonst nicht so schüchtern. Ich meine – jedenfalls nicht, wenn man dich im Fernsehen sieht.«
    Quint Tempelhoff rang nach Luft, und als er fortfuhr, war seine Stimme zwar lauter, aber sie rutschte auch eine Tonlage höher. »Als eine halbe Stunde später erneut die Wehen einsetzten, gab es Komplikationen. Etwas war mit der Plazenta nicht in Ordnung, aber das merkten sie erst, als Tobias’ Kopf draußen war. Dann kam das Blut. Deine Mutter verlor Blut, viel Blut, und dann ging alles schrecklich schnell. Ich blieb bei dir, während die Hebamme sich um deine Mutter

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